Lieber Friedrich Merz,
wie ist es, an einem solchen Tag nicht zu Hause aufzuwachen?
Eine kalte Wohnung in Berlin statt selbst gebackener Stollen im Sauerland?
Staatssekretäre und Speichellecker buckeln mit auflackierter Zuneigung statt der liebenden Familie daheim.
Keine Enkelchen, die Gedichte für den lieben Opa aufsagen.
Grelles Kamerablitzen statt goldenen Kerzenscheins. Ein gequältes Lächeln für die Kamera, weil Jens Spahn ihnen irgendeinen Mist aus dem CDU-Fanshop schenkt.
Der kalte, schneidende Wind Berlins statt wärmender Salven von moosgrünen Schützenbrüdern vor der Türe.
Haben Sie sich ihren Siebzigsten so vorgestellt?
Sind Sie glücklich?
Andere Siebzigjährige buchen sich eine Kreuzfahrt, besuchen den Fernsehgarten, gehen in die Pilze.
Statt Tandemfahren in Arnsberg mit Frau Charlotte brettern sie mit Putin, Xi und Trump ungebremst durch die Bobbahn der Weltpolitik.
Wussten Sie, worauf Sie sich einlassen?
Verträgt sich Rotwein mit Herztabletten?
Gelingt Ihnen die Chefsache Deutschland, oder krempelt der Laden den Macher um?
Man kann Ihnen nicht vorwerfen, es nicht zu versuchen.
Nein, dieses Land wurde Ihnen nicht besenrein übergeben.
Und doch wünscht sich jeder Vierte Angela Merkel zurück. Eine Frau, die sich wie ein Wombat in den Bau geflüchtet hat, dem Eingang den Hintern zugedreht, unwillig, sich den Saustall nochmal anzusehen.
Sie versuchen, ein Bild von der Wirklichkeit zu zeichnen. Doch ach, wenn Sie der Zorn packt, fehlen Ihnen die feinen Pinsel. "Wieso denn", blöken Sie, "die abgebrochenen dicken Wachsmaler tun es doch auch!"
"Stadtbild", "Sozialtouristen", "kleine Paschas" – ein Best-of-Album wie wütendes Geraune alter Männer im Wartezimmer beim Urologen.
Wenn eitle Menschen nach ihrer schlechten Eigenschaft gefragt werden, sagen sie gerne: meine Ungeduld. Bei Ihnen stimmt es.
Sie sind wie ein Lehrer, der erst geduldig versucht, die Dinge zu erklären. Und dem dann der Kragen platzt, woraufhin er mit dem Schlüsselbund wirft.
Wer ist Friedrich Merz?
Was sind Sie eigentlich? Gütiger Opa oder böser Onkel?
Dr. Jeckyll oder Mister Merz?
Ja, diese Legislatur ist ein stressiges Tauziehen. Mit Ihnen selbst an beiden Enden.
Sie kommen aus dem Sauerland. Eine Gegend, wo der Papa der Mama am Wochenende mal für eine Stunde das Kind abnimmt,
Wo man stolz ist, sich auch mal von Dr. Yildiz untersuchen zu lassen und es gütig heißt: "Der Herr Jablonski ist Pole, aber ein ganz netter."
Am Wochenende wäscht man den Opel Vectra und geht danach zum Jugoslawen.
Hier trinkt man nach schwerem Essen Schnaps "als Verteiler".
Und so einer soll jetzt im Smoothie-Mekka Berlin ans Ruder.
Ihr Haar ist altmodisch. So frisierten sich Männer vor vierzig Jahren.
Im Kopf denkt "The CEO of Blackrock" – doch das Außen sagt: "Ich bin der Fritz von der Theke in der Postschänke."
Ich mag Sie.
Sie sind zu fleißig, um in die KÖ-Klinik zu fliegen.
Sie haben keine Zeit für Wurstgefresse oder kultige Outfits wie diese ganzen parfümierten Arschlöcher!
Und überall dieses dämliche Getanze!
Ein Mann, der sich Haare einpflanzen lässt, ist nicht nur mit dem Kopf woanders.
Stur wie das Haarbüschel auf ihrem Kopf.
Wer dem Sturm des Zeitgeistes die Stirn bietet, braucht viel davon.
Sie sind ein tapferer Mann.
Ein Haarkranz-Mann.
Ich wünsche Ihnen Glück.
Happy Birthday
Ihr Franz Josef Beisenherz