ARD-Krimi im Check Nach dem Münster-"Tatort": So lief der Abschied von Staatsanwältin Klemm

  • von Elisa Eberle
Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Großmann) verabschiedete sich im "Tatort: Die Erfindung des Rades" in den Ruhestand. Vorher erwartete sie ein besonders persönlicher Fall.
Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Großmann) verabschiedete sich im "Tatort: Die Erfindung des Rades" in den Ruhestand. Vorher erwartete sie ein besonders persönlicher Fall.
© WDR/Frank Dicks
Mit dem Münster-"Tatort: Die Erfindung des Rades" ging am Sonntagabend eine Ära zu Ende: Mechthild Großmann spielte letztmals die Staatsanwältin Wilhelmine Klemm. Der Abschied war würdevoll und persönlich ...

Das Fahrrad ist in Münster das meistgenutzte Verkehrsmittel: Über 400.000 Fahrräder kommen laut der Tourismus-Website der Stadt Münster auf circa 310.000 Einwohner. Insofern war es nur eine Frage der Zeit, bis sich auch die beiden Münster Kultfiguren, Rechtsmediziner Professor Boerne (Jan Josef Liefers) und Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl) im "Tatort" mit der Bedeutung des Drahtesels für die Stadt beschäftigen. Im "Tatort: Die Erfindung des Rades" unter Regie von Till Franzen taten sie dies am Sonntagabend auf die typisch abgedrehte Art und Weise.

Professor Boerne hat seinen Führerschein verloren, also entschied er, wie Thiel aufs Fahrrad umzusteigen. Natürlich durfte es für den Oldtimer-Enthusiasten kein gewöhnlicher Drahtesel sein. Stattdessen erwog er, die jüngste Entwicklung des Traditionsunternehmens Hobrecht & Hobrecht zu erwerben: Das "First Bike", das nach einer kürzlich wiederentdeckten technischen Zeichnung aus dem Jahr 1882 angefertigt worden war. Bei der ersten Präsentation vor geladenen Gästen kam anstelle des Fahrrads jedoch eine Kühltruhe samt einer Leiche zum Vorschein.

Worum ging es?

Bei dem Toten handelte es sich um Albert Hobrecht (Heinrich Giskes), den in Ungnade gefallenen Bruder des Seniorchefs Kurt Hobrecht (Hannes Hellmann). Albert war Anfang der 1980-er von seinem Vater aus der Firma geworfen worden, nachdem er seinen Neffen Kurt Hobrecht junior (Simon Steinhorst) beim Spielen so lange im Schwitzkasten gehalten hatte, bis dieser bleibende Hirnschäden davon getragen hatte. Das Ausscheiden aus der Firma hatte Albert seinem Bruder nie ganz verziehen.

Als der zweite Sohn des alten Kurt Hobrecht, Konstantin Hobrecht (Franz Hartwig), seinen Onkel um Geld für die Übernahme des Ladens bat, witterte Albert die Chance auf eine späte Rache. Albert und Konstantin begossen ihre Geschäftsbeziehungen mit zu viel Schnaps, in der Folge wurde Albert von seinem betrunkenen Neffen überfahren.

Was folgte, war eine Abfolge absurder Ereignisse, ausgelöst von jeder Menge verletzter Gefühle: Kurt Hobrecht senior eilte seinem verzweifelten Sohn Konstantin zur Hilfe. Er zwang ihn, sein Konkurrenzgeschäft mit E-Bikes aufzugeben und die Geschäftsleitung von Hobrecht & Hobrecht zu übernehmen. Die Leiche seines Bruders lagerte Kurt Hobrecht senior dafür in einer Tiefkühltruhe im Keller zwischen, wo sie von Kurt junior geschändet und letztlich von dessen Schwester Klara (Karolina Lodyga) anstelle des "First Bikes" in den Präsentationsraum geschmuggelt wurde.

Worum ging es wirklich?

Als die Sache aufzufliegen drohte, legte Kurt Hobrecht senior zeitweise sogar ein falsches Geständnis ab, um seinen Sohn zu schützen. Was ein wichtiger Punkt im zweiten, fast schon bedeutenderen Handlungsstrang dieses 48. Münster-"Tatort" ist: Wie bereits im August 2024 bekannt geworden war, wird Schauspielerin Mechthild Großmann, die seit dem ersten Münster-"Tatort: Der dunkle Fleck" (2002) die Staatsanwältin Wilhelmine Klemm spielte, die Produktion mit diesem Fall verlassen.

Ihre Figur starb am Sonntagabend aber nicht etwa den Filmtod, sondern verabschiedete sich würdevoll mit einer überraschend persönlichen Geschichte. Was weder Thiel noch das TV-Publikum bislang wussten: Die stolze Single-Frau Wilhelmine Klemm war vor Jahren um ein Haar verlobt. Niemand geringeres als Kurt Hobrecht senior hatte ihr vor 50 Jahren in Goa einen Heiratsantrag gemacht: "Ich fand das damals ein bisschen spießig", gestand Klemm nun im Vier-Augen-Gespräch mit Thiel: "Ich wollte nicht die Frau von irgendwem sein. Ich wollte Wilhelmine Klemm sein."

Kurt, so betonte sie, sei sicher kein Heiliger: "Aber ich weiß, dass er niemals, niemals einen Menschen töten würde." Sie bat Thiel, den Fall nochmal gründlich zu untersuchen, denn: "Ich möchte nicht in meinem letzten Fall den Falschen hinter Gitter bringen." Gesagt, getan. Doch warum entscheidet sich Wilhelmine Klemm überhaupt, in den Ruhestand zu gehen? Ganz einfach: "Weil ich zu alt für den Sch... bin."

Wurde das Fahrrad tatsächlich in Münster erfunden?

Thiel gelang es im "Tatort" letztlich den wahren Täter zu überführen. Gleichzeitig entdeckte Boerne eine historische Sensation, die jedoch einzig und allein der Fantasie von Drehbuchautor Thorsten Wettcke entsprang: Das moderne Fahrrad, so heißt es in der "Tatort"-Realität, wurde nicht, wie gemeinhin angenommen, 1884 durch John Kemp Starley im englischen Coventry, sondern bereits zwei Jahre zuvor von einem Ahnen der Hobrechts in Münster erfunden.

Derweil brach Wilhelmine Klemm mit ihrer ehemals großen Liebe in einem alten Bulli zu einer gemeinsamen Reise in den Schwarzwald auf. "Zunächst mal war es mir eine große Freude und Ehre, dass Frau Großmann mich für diese Aufgabe auserkoren hatte", freut sich Drehbuchautor Thorsten Wettcke im Senderinterview: "Wichtig war uns zum einen, dass Staatsanwältin Klemm selbst an den Punkt kommt zu entscheiden, ihren Job an den Nagel zu hängen – und nicht von außen dazu genötigt wird. Noch wichtiger war mir allerdings, den Menschen Wilhelmine Klemm nochmal etwas besser kennenzulernen und dieser wunderbaren Figur ein vor allem auch emotional würdiges Ende zu schenken."

Wie geht es mit dem "Tatort" und für Mechthild Großmann weiter?

Ganz zur Ruhe setzen möchte sich Mechthild Großmann übrigens noch nicht, wie die fast 77-Jährige im Senderinterview verrät: Für das kommende Jahr plant sie verschiedene Lesungen, außerdem wird sie in "Das Vermächtnis" am Schauspielhaus Münster auf der Bühne stehen. Auch eine Rückkehr zum "Tatort" ist, laut Schauspielkollege Axel Prahl, nicht ausgeschlossen: "Sie hat ja auch angeboten, dass sie sich unter gewissen Umständen auch vorstellen könnte, mal als Überraschungsgast wieder dabei zu sein. Das fände ich zum Beispiel großartig!"

Ein vorübergehender Ersatz für Wilhelmine Klemm im "Tatort" ist bereits gefunden: Die 33-jährige Lou Strenger schlüpft in die Rolle der Interims-Staatsanwältin Nikola König. Ihr erster Film unter dem Arbeitstitel "Tatort: Maskerade" spielt im westfälischen Karneval und ist bereits abgedreht.

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