"Tatort"-Kritik Roma-Mädchen entzündet Drama

  • von Kathrin Buchner
Eine Wohnung in Köln brennt, eine junge Frau stirbt, ein Roma-Mädchen gerät unter Verdacht: Schon im Vorfeld gab es Ärger um die "Tatort"-Folge "Brandmal". Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma witterte Diskriminierung, forderte vom WDR die Absetzung der Folge. Schürte dieser "Tatort" wirklich Vorurteile?

"Lustig ist das Zigeunerleben", schmettert Hauptkommissar Freddy Schenk (Dietmar Bär), als er zusammen mit seinem Kollegen Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) das Auffangheim für Roma und Sinti im Kölner Multikulti-Stadtteil Kalk betritt. Gegenüber dem Heim wurde per Brandbeschleuniger eine Wohnung angezündet, eine junge Frau starb in den Flammen. "Die klauen ja alle, die Zigeuner", sagt der Hausbesitzer Hans-Dieter Langer (Bernd Michael Lade). Und äußert gleich einen konkreten Verdacht. Roma-Mädchen Lutvija Demiri (Muriel Wimmer), die er beim Klauen erwischt hat, habe ihm gedroht.

Von "Klaukids" spricht Kriminaler-Kollege Mario Klemper (Christoph Bach), der Lutvija schon öfter aufgegriffen hat. Verallgemeinern will er ihren Fall allerdings nicht, das Mädchen sei "ein problematischer Einzelfall", lege "pubertäre Gesamtverweigerung" an den Tag und weise eine "niedrige Frustrationstoleranz" auf. Im Übrigen würden genauso viele deutsche wie ausländische Jugendliche beim Klauen erwischt.

Keine Angst vor Stammtisch-Parolen

Zugegeben, der Kölner "Tatort" wagt einiges: Nimmt sich eines heiklen Themas an, nämlich Roma und Sinti in der deutschen Gesellschaft. Zeigt Klischees, spielt damit, hinterfragt sie, demontiert sie. Führt einen Kneipenwirt vor, der T-Shirts druckt mit der Aufschrift "Das Heim muss weg", der sich einen privaten Sicherheitsdienst leistet, Ressentiments der Anwohner schürt und für seine politische Karriere ausschlachtet.

Kein politisch-korrektes Geschwafel, Kommissar Freddy Schenk darf in seiner herzhaft-deftigen Art weiter Klartext sprechen, "sieht ja gar nicht aus wie ein Zigeuner", um im nächsten Moment von Kollege Ballauf ausgehebelt zu werden "wie sieht denn ein Zigeuner aus?". Keine Berührungsängste, kein falsches Fingerspitzengefühl, ran an die bundesdeutsche Realität, an die Stammtisch-Kneipen.

Hintergrund ist das reale Schicksal Hunderter Kosovo-Flüchtlinge

"Tatort"-Drehbuchautor Karl-Heinz Käfer schreibt spritzige Dialoge ohne falsche Sentimentalität. Und erzählt von dem Trauma eines Mädchens, das ihren Vater in Flammen sterben sah. Von der Angst vor der ungewissen Zukunft, wenn man mit Schuhen und Klamotten ins Bett geht, weil man jederzeit abgeschoben werden kann und fliehen will. Dahinter steht das reale Schicksal Hunderter Roma, die seit Jahrhunderten im Kosovo sesshaft waren und vor dem Krieg auf dem Balkan nach Köln fliehen mussten.

Regisseurin Maris Pfeiffer hat daraus einen spannenden Krimi gedreht mit Witz, Tempo und Tiefgang, bei dem die Darsteller nie die Authentizität ihrer Figuren aufgeben: In absoluter Hochform zeigt er Kommissar Schenk, der in gewohnter Manier wie ein Elefant im Porzellanladen agiert, das Roma-Mädchen einfach zum Röntgen schleppt, ins Liebesnest des Verdächtigen poltert und dabei Assistentin Franziska (Tessa Mittelstaedt) ertappt. Sentimentale Anfälle von Kollege Ballauf kontert er mit dem lapidaren Kommentar: "Vielleicht solltest du es mal mit eigenen Kindern versuchen, da klafft eine Lücke in deiner Biografie".

Der Gipfel in einer gelungenen Gratwanderung dieser "Tatort"-Folge: In der letzten Szene sitzt der tolerante Menschenfreund Ballauf beim Kaffee in der Roma-Familie, vermisst plötzlich seinen Geldbeutel. Sein kaum kaschiertes Mienenspiel bringt klar zum Ausdruck: Auch er ist nicht gefeit davor, in die Vorurteilsfalle zu tappen und beginnt, die Roma zu verdächtigen. Ein paar Schrecksekunden herrscht betretenes Schweigen, bis Schenk den Geldbeutel hervorzaubert, "ist dir im Auto rausgefallen" - erleichterte Gesichter. Eine Szene, symptomatisch für diese Krimi-Expedition - immer haarscharf am Rande des Absturzes ins Klischee, aber eben doch gelungen.

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