- 4 von 5 Punkten
- Ein aktueller, realitätsnaher "Tatort", der zeigt, wozu aufgebrachte Bürger fähig sind
Worum geht's?
Der Hamburger Stadtteil Neugraben wird von einer Einbruchsserie erschüttert. Die Polizei hat deshalb eine Sonderkommission eingerichtet, der auch die Bundesbeamten Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und Julia Grosz (Franziska Weisz) angehören. Sie verhören den Bulgaren Kolya Daskalow, weil er mit Akkubohrer, Schraubenzieher und Sturmhaube aufgegriffen wurde. Falke lässt den Jungen gehen, wenig später ist er tot. Der Anwohner Dieter Kranzbühler behauptet, Daskalow in Notwehr erschossen zu haben, weil er in sein Haus eingedrungen sei und ihn mit einer Waffe bedroht habe. Doch seinem Bruder Bernd gesteht Kranzbühler, dass es ganz anders war.
Warum lohnt sich dieser "Tatort"?
Die Wohnungseinbrüche bilden nur den Rahmen für die Krimihandlung, in Wesentlichen geht es um frustrierte Bürger, die sich von der Polizei nicht ausreichend geschützt fühlen und deshalb eine Art Bürgerwehr bilden und zur Selbstjustiz aufrufen. Die Anwohner formieren sich zu einem Nachbarschaftsforum im Internet, in dem gehetzt, gepöbelt und jeglicher rechtliche Rahmen überschritten wird. Der Film schildert eindrücklich, wie alles aus dem Ruder läuft, wenn der Shitstorm aus dem Netz in der Realität ankommt.
Was nervt?
Die Kommissare Falke und Grosz geben bei ihren Ermittlungen nicht immer eine glückliche Figur ab. Sie unterschätzen den Einfluss des Nachbarschaftsforums, kommen zu spät, verpassen die gesuchten Personen nur knapp oder können Übergriffe nicht verhindern. Zudem hat der Zuschauer immer wieder einen Wissensvorsprung gegenüber den Ermittlern. Das nimmt dem Fall ein wenig die Spannung.
Die Kommissare?
Für Falke und Grosz geht es nicht nur darum einen Fall zu lösen, sie sind persönlich betroffen. Wir gegen die - so sehen die Anwohner in Neugraben das Aufeinandertreffen mit der Polizei. Es ist kein Mit-, sondern ein Gegeneinander. Spätestens als Falkes Sohn Torben Opfer der Anfeindungen wird, erkennt der Hauptkommissar die Brisanz der Lage. Dabei stößt der Ermittler mit seiner impulsiven Art immer wieder an Grenzen, während seine Kollegin Grosz besonnen und ruhig agiert.

Ein- oder Ausschalten?
Zwischendurch hat der Film seine Längen, aber es lohnt sich dranzubleiben. Der Schluss ist hochdramatisch.
"Treibjagd" wurde erstmals am 18. November 2018 ausgestrahlt. Die ARD wiederholt die "Tatort"-Folge am 1. Mai 2020 um 22.15 Uhr.