Presseschau zum Münster-Tatort "Der 'Tatort' als Sendung mit der Fledermaus"

Die Zuschauer haben ihr Urteil über den Münster-"Tatort" gesprochen und dem Fall die beste Quote des Jahres beschert. Die meisten Kritiker wollen in den Jubelchor jedoch nicht mit einstimmen.

Können 12,78 Millionen Menschen irren? So viele Zuschauer hatte der Münster-"Tatort" am Sonntagabend, er ist damit der meistgesehene Fall in diesem Jahr. Die meisten Kritiker teilen die Euphorie für die aktuelle Folge von Thiel und Boerne jedoch nicht. Unsere Presseschau.

"FAZ"

"Die Handlung, die sich zwischen dem Ernst des sozialen Abstiegs, von dem die Nachbarn des Bordells bedroht sind, und der Bizarrerie des Superhelden-Mörders nicht recht entscheiden mag, ist noch das geringere Problem", schreibt Lena Bopp in der "FAZ". "Viel wichtiger ist die Lustlosigkeit, die vor allem im Spiel von Axel Prahl um sich greift."

"welt.de"

In die gleiche Kerbe schlägt Elmar Krekeler: "Eine wunderbare Moritat hätte man aus dem 'Hammer' machen können. Eine nächtliche Elegie über einen Geist, der stets das Gute will, und stets nicht nur das Böse haut, sondern es auch schafft, eine finstere Philosophie über die Grenzen des Rechtsstaates. Aber wir sind ja in Münster. Da darf das nicht", schreibt er auf "welt.de".

stern.de

Das entspricht der auf stern.de veröffentlichten Sichtweise. "Die Bestandteile für einen herrlich-absurden Münster-'Tatort' waren da, doch Autor und Regisseur Lars Kraume schwenkte schon bald auf ein sozialrealistisches Rührstück um. Anstatt den Täter als gestörten Superfiesling wie den Joker aus "Batman" zu zeichnen, erzählt er - wie so viele andere Krimis dieser 'Tatort'-Reihe - das soziale Drama eines Menschen, der privat und beruflich gescheitert ist."

"Süddeutsche Zeitung"

Auch bei Holger Gertz hält sich die Begeisterung in überschaubaren Grenzen: "Der 'Tatort' als Sendung mit der Fledermaus. Ein Mann, kostümiert mit Wollmütze, Strumpfhose, Flügelumhang und Hodenschutz aus Plastik, will den Bau des Großpuffs Waikiki-Oase in Münster verhindern", schreibt er in der "Süddeutschen Zeitung". "Seitenhiebe gegen westfälische Gutmenschen und andere Wollsockenträger sind immer angebracht, man kriegt die anderthalb Stunden also ganz gut rum. Aber wer das Ganze spannend oder gruselig findet, der wäre auch imstande, Flöhe husten zu hören."

"Spiegel-Online"

Ganz anders hat Christian Buß diesen "Tatort" bewertet: "Tatsächlich, Münster ist gerettet. Die Folge um den Rächer der Genervten ist die Erfüllung des Versprechens, das uns die westfälischen 'Tatort'-Ermittler seit so langer, langer Zeit schuldig geblieben sind: Hier endlich bekommen wir eine tiefschwarze Krimikomödie, die mit bösen, ja schmerzhaften Pointen provinzielle Seilschaften aufzeigt. Wo über die letzten Jahre zahnlos geömmelt wurde, da wird jetzt kräftig zugepackt", schreibt er auf "Spiegel-Online" - und fühlt sich sogar an den Humor der Coen-Brüder erinnert.

Dieser Vergleich mag vielleicht ein wenig hoch gegriffen zu sein. Dennoch zeigen die Kritiken, dass man über die Qualität dieses "Tatorts" durchaus streiten kann.

Zusammengestellt von Carsten Heidböhmer

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