Ist der moderne Mensch in Erziehungsfragen restlos überfordert, lässt er sich heute dabei filmen und dann kommt eine selbst ernannte Supernanny und liefert die richtige Bedienungsanleitung für das Kind. Was aber macht der moderne Mensch, wenn es keine Schützenhilfe von der Supernanny gibt? Dann ist er natürlich erstmal ratlos. Mag aber auch sein, dass er es für pädagogisch sinnvoll hält, freundlich zu lächeln, während er sich von seinem zweijährigen Kind mit Schuhen bewerfen lässt.
Marc Terenzi aus der TV-Doku-Soap "Sarah & Marc Crazy in Love" findet wohl nichts dabei, dass Töchterchen Summer mit ihren Sandalen Richtung Papagesicht zielt - und trifft. Er grinst. Andererseits, hätte man wirklich eine andere Reaktion erwartet? Ein Marc, der auch mal auf den Tisch haut, der sagt, das lasse ich mir aber nicht bieten, das wäre eine kleine Revolution. Selbst die Hunde wissen, mit Marc kann man alles machen, weshalb sie sich einen Dreck darum kümmern, was Herrchen sagt. Und wie soll denn ein Kind auf Papa hören, wenn selbst die vierbeinigen Fellwesen es nicht tun?
Auf der einen Seite, der hilflose Marc, der seine Ehefrau am nächsten Morgen gerne mal mit einer deftigen Alkoholfahne überrascht und der sich außerdem mit seinen bald 30 Jahren fühlt, als sei er in der Midlife-Crisis, auf der anderen Seite Sarah Connor, die im Studio an ihrer brandneuen Platte bastelt, bei Aufregung Durchfall bekommt und ohne die einfach nichts geht - selbst ihre Mutter wartet im Kreißsaal so lange mit der Kaiserschnittgeburt ihrer Zwillinge bis Sarah eingeflogen ist. Das Krankenhauspersonal hatte übrigens versäumt, extra einen roten Teppich auszulegen, aber gut.
Der Versuch, gaga zu sein ging komplett daneben
Glaubt man dem Titel der Doku-Pseudo-Schnulze, sind Sarah und Marc erstens die Hauptpersonen, zweitens verliebt und drittens dabei völlig von Sinnen. Der Höhepunkt der Romantik aber war in der gestern ausgestrahlten Folge schon erreicht, als Marc seiner Ehefrau am Flughafen eine Rose aus Alufolie überreichte. Der Versuch, ein bisschen gaga zu sein, ging sowieso daneben. Das Paar verabredete sich zu einem Date und trat dabei in einer anderen Rolle auf. Marc klebte sich einen Schnauzer an, Sarah kam mit einer Perücke, die an die Haartracht von Uma Thurman aus "Pulp Fiction" erinnerte oder an eine champagnerblonde Version der Mirelle-Matthieu-Frisur. Sarah verriet: "Solche Rollenspiele beleben unsere Beziehung." Nachahmer seien gewarnt: Am Schluss zoffte sich das Paar.
Zwischenzeitlich war auch nicht mehr so ganz klar, ob nicht etwa Lulu, die 16-jährige Schwester von Sarah, die Hauptfigur ist. Sie sagte mal wieder diesen Satz, den wohl mindestens hunderttausende Jugendliche sagen, wenn sie gefragt werden, mit was sie sich denn später ihre Brötchen verdienen wollen: "Ich will Popstar werden." Lulu muss sich dazu natürlich nicht in die lange Reihe der "Deutschland-sucht-den-Superstar"-Anwärter stellen, sondern lässt sich einfach unter die Fittiche ihrer großen berühmten Schwester nehmen.
"Eine Lady macht so etwas nicht"
Fragt sich aber, ob nicht ein derber Spruch von Dieter Bohlen besser zu verkraften ist, als Sarah Connor, die ihre Hand unter Lulus Mund hält und sie vor laufender Kamera auffordert, den Kaugummi hineinzuspucken. "Eine Lady macht so etwas nicht", kommentierte Sarah streng. Von soviel pädagogischer Entschlossenheit mag Marc nicht einmal träumen. Lulu soll also zum Popstar aufgebaut werden und befindet sich deshalb ständig im Schlepptau ihrer Schwester. Und wenn Lulu nicht gerade davon sprach, dass sie auch so berühmt werden wolle wie Sarah, philosophierte Sarahs Mutter Soraya über das Stillen. Überhaupt wird sehr viel gesprochen, man könnte auch die Bilder weglassen und ein Hörspiel daraus machen - vorausgesetzt die Dialoge wären dazu geeignet.
Natürlich darf auf keinen Fall versäumt werden zu erzählen, wie schlecht der Weddingplaner (auch so ein Traumberuf) Frank lügen kann. Als Sarah und Marc am Flughafen herumstanden, stand plötzlich auch Frank mit seinem Rollkoffer da, just in dem Moment, als die Kameras liefen. "Das ist ja eine Überraschung", rief Frank. Jubel, Bussi, Umarmungen. Später hatte sich Frank immer noch nicht erholt von diesem Erlebnis. "Das ist wirklich eine Riesenüberraschung", meinte er. Und wer weiß, wenn niemand bei Frank auf den Ausschaltknopf gedrückt hat, vielleicht rennt der Kerl dann immer noch herum und ruft: "Was für eine Überraschung, was für eine Überraschung, was für eine Überraschung…."
Die allerletzte Vokabel, die dem Fernsehzuschauer indes einfallen würde zu diesem TV-Langweiler wäre "Überraschung". Aber vielleicht ist Unterhaltung heute erst dann gelungen, wenn das Fernsehvolk darüber lästert. Oder wenn einen beim Glotzen nur noch das eigene Kaugeräusch während des Chipsessens wach hält.