Wir kannten sie noch nicht, da hassten wir sie schon längst: Camilla, geborene Shand, geschiedene Parker Bowles, jetzige Herzogin von Cornwall. Von ihrer Existenz erfuhren wir durch Diana, Princess of Wales und Königin der Herzen, der Welt liebste Bulimikerin. Camilla, das war die Frau, die unserem royalen Bambi das Leben zur Hölle gemacht hatte, die ältere, die hässlichere Frau, der "Rottweiler", von der die bezaubernde Diana gemeinsam mit ihrem Gatten Charles auf das Heimtückischste hintergangen wurde. Hier war ein Prinz, der nicht Schneewittchen küssen wollte, sondern die böse Hexe, Camilla.
Lange Zeit lag die auf der planetaren Sympathie-Skala gleichauf mit Margot Honecker. Sie war Freiwild und Sündenbock; die Höhe der Gürtellinie musste ihretwegen neu definiert werden. Man nannte sie "Kuh-Milla" oder auch "vertrocknete Makrele". Britische Hausfrauen bewarfen die Mätresse in einem Supermarkt mit Brötchen, und Diana-Adepten klebten ein scheußliches Bild von ihr im Badeanzug an die Tore von Kensington Palace, "Schenkel wie ein Hafenschlepper" stand darauf geschrieben. Man gab Camilla die Schuld am Scheitern der Jahrhundertehe, man machte sie dafür verantwortlich, dass die Prinzessin in einer Sommernacht des Jahres 1997 in einem dunklen Pariser Tunnel ihr Leben ließ, an ihrer Seite der Playboy Dodi al-Fayed, kein Prinz, dafür aber aus dem Morgenland.
Dieses Märchen nahm eine andere Wendung
In der Ära des "floralen Faschismus", den die britische Psychologin Maggie Winkworth anschließend angesichts der Blumengebirge vor Dianas Palast in London ihren Landsleuten attestierte, wünschten sich nicht wenige, Camilla möge statt der vergötterten Ikone erkaltet im Sarg liegen.
Indes, es kam anders. Im Märchen verliert das Böse, im Leben gewinnt die angeblich Böse: Seit bald einem Jahr ist Camilla die legitime Gattin des britischen Thronfolgers, und eines Tages wird sie den Job haben, nach dem Diana sich so sehr gesehnt hatte, und Königin werden.
Doch wer die künftige Monarchin und Urenkelin von Alice Keppel, der Geliebten König Edwards VII., eigentlich ist, weiß so recht niemand. Die Frau, die sich geschworen hat, aus dem Leben zu scheiden, ohne je ein Interview gegeben zu haben, ist von bemerkenswerter Diskretion. Keine Erniedrigung, keine Beleidigung konnte sie je aus der Reserve locken. Ihre zahlreichen Freunde geben allenfalls Nettes und Nichtssagendes über sie zum Besten. "Normal", "solide" sowie "humorvoll" sei sie, erzählten sie etwa dem Reporter Bob Colacello, der im Auftrag von "Vanity Fair" wochenlang hinter ihr herrecherchierte, um anschließend mit der Erkenntnis aufzuwarten, ihr Haar sei jetzt blonder.
Aufgezeichnete Telefonate zum Fremdschämen
Immerhin wurde er Zeuge einer Konversation zwischen der Queen in spe und einer Bio-Gemüseverkäuferin in Yorkshire. "Die Tomaten sehen wunderbar aus. Es war ja auch ein sehr gutes Tomatenjahr", sprach Camilla, und auch: "Wissen Sie, dass der Prince of Wales Schutzherr der Vereinigung für biologischen Anbau ist?" Darauf ihr künftiges Subjekt: "Tja, der Prinz ist ganz und gar biologisch, oder, Ma'am?"
Da kommt Sehnsucht nach dem heimlich abgehörten Telefongespräch mit Prinz Charles auf, dem längsten Text, den wir von ihr kennen, seinerzeit als "Camillagate" in die endlose Serie royaler Pannen eingegangen. Damals outete sich Camilla als originelle Mystikerin - "Du wirst als Unterhose wiedergeboren" - , während der Thronfolger, wie üblich weinerlich, sich bereits als Tampon sah: "Mein Schicksal, ins Klo geworfen zu werden", greinte er, worauf sie "Oh, Darling!" sprach.
Gleich zwei Bücher sollen jetzt Abhilfe schaffen: Die deutsche Journalistin Tatjana Gräfin Dönhoff hat das Werk "Camilla" verfasst, der britische Publizist Christopher Wilson bringt eine überarbeitete Ausgabe seines bereits zu Dianas Lebzeiten erschienen Îuvres "Camilla - die Geschichte einer großen Liebe" auf den deutschen Markt. Das macht zusammen fast 800 Seiten über die Frau im Schatten eines Mannes, der fast gar keinen wirft.
Kein Detail aus dem Wesen und Werden der erdverbundenen Camilla, die mit beiden Gummistiefeln fest auf dem Boden der britischen Scholle steht, wird da ausgelassen. Die glückliche Kindheit inmitten von Hunden und Pferden als Upperclass-Spross eines Weltkriegsveteranen und Weinhändlers, die harte Schule in einer spartanischen Erziehungsanstalt für höhere Töchter, der Besuch einer "Finishing School" zur Vervollkommnung der Halbbildung, der einzige Job in einem immerhin 58-jährigen Leben als Sekretärin in einem noblen Dekostoffeladen, die wilden Zeiten und unbekümmerten Bettgeschichten mit zahlreichen Boyfriends im "Swinging London" der 70er Jahre, die coolste Erst-Anbaggerung eines Monarchen in der Geschichte des britischen Königshauses - "Meine Urgroßmutter und Ihr Ururgroßvater waren ein Paar, wie wär's mit uns?" - , ihre "animalische Anziehungskraft" (Wilson), der darauf folgende "gute Sex" (Dönhoff), ihre exzentrische Ehe mit dem feschen Offizier Andrew Parker Bowles (er betrog sie, sie betrog ihn und gebar ihm zwei Kinder), Charles' deprimierende Ehe mit der Darmspülerin Diana (er betrog sie, sie betrog ihn zunächst nicht und gebar ihm zwei Kinder), deren Ableben, und schließlich, zu guter Letzt, die Heirat in Windsor. Wir lernen außerdem: Was den Monaco-Monarchen zur Brunftzeit der Swimmingpool, ist den Windsors das Polofeld, eines ist immer irgendwie in der Nähe.
Pilchersche Häkelprosa versus Sex in allen Stellungen
Dönhoffs Biografie besteht aus Fakten, Fakten, Fakten: jede Menge Listen, unterbrochen von Pilcherscher Häkelprosa. Offenbar mag sie Camilla, doch warum, wird einem nicht wirklich klar, sieht man einmal davon ab, dass sie patent ist und gut reiten kann.
Im Wilsonschen Werk liegt die Betonung dagegen auf Ficken, Ficken, Ficken. Da grapscht Charles nach Camillas Busen, da wird im Gebüsch das getan, was "Lady Chatterley am liebsten tat", da wird derangierte Kleidung arrangiert, da werden Zungenküsse ausgetauscht, dass es nur so tropft. Es dampfen die Pferde, es dampft der Prinz, es dampft die Mätresse, die offenbar außer Kunststücken in der Horizontalen und auch Vertikalen, an einen Baum gelehnt, wenig zu bieten hat, sieht man einmal davon ab, dass sie patent ist und gut reiten kann. Doch bei einem so unerotischen Paar erinnert einen das alles irgendwie an Sex in der Geriatrie.
Wilson mag Camilla nicht. Warum? "Im Gegensatz zu Diana kann sie mit Menschen nicht umgehen", sagt er zum stern, "sie interessiert sich nicht für Normalsterbliche und kann es nicht verbergen. Sie wollte nicht Königin werden, sondern manipulierende Mätresse bleiben, wie ihre Urgroßmutter Alice Keppel. Doch nun haben die von ihr mitverschuldeten Umstände dafür gesorgt, dass sie die künftige Monarchin ist. Und als solche hat sie nichts zu bieten - keinen Glamour, kein Pflichtbewusstsein, keinen Dienst am Volk. Sie ist kein Plus für diese Familie, die seit Dianas Abservierung nur noch über einen einzigen Trumpf verfügt, nämlich die Queen selbst."
Camillas erstaunliche Ehe mit Andrew Parker Bowles? "Er ließ sich von seiner Frau nach oben schlafen", sagt Wilson. "Dadurch, dass er seine Frau dem Prinzen überließ, machte er Karriere in der Armee." Ihre vielen Freunde, die noch nie etwas Böses über sie gesagt haben? "Es sind alles Menschen, die in riesigen Häusern wohnen. Andere Leute kennt sie nicht." Das Einzige, was er gelten lässt, ist ihre Diskretion. "Die hat sie von ihrem Vater, der immer sagt: ,Klappe halten!" Die übrigen Royals könnten von ihr lernen, statt uns an ihren geistigen Zuckungen teilhaben zu lassen", findet er.
Sicher, es ist wahrscheinlich ein Segen, dass Camillas Ansichten über Weltreligionen, Kultur und Agrikultur uns bisher verborgen geblieben sind - falls sie überhaupt welche hat. Doch Menschen, die eisern schweigen, sind undankbares Material für Biografien. Zumal, wenn sie, wie Camilla, in ihrem Leben eigentlich nicht das Geringste getan haben, außer zu jagen und zu reiten und gelegentlich einen Schweinebraten in die Bratröhre der Landhausküche zu schieben. Ihr größtes Verdienst sei es, "mich zu lieben", sagte Prinz Charles während des legendären Telefongesprächs zu ihr. Nach 800 heroischen Seiten ist man geneigt, ihm das zu glauben.