"Ja, ist denn schon Weihnachten?" … war man geneigt zu denken, als gestern Abend auf einmal König Charles auf den Bildschirmen der britischen Nation erschien. Normalerweise spricht er so direkt und gefühlvoll nur einmal im Jahr, in seiner Weihnachtsansprache nachmittags am 25. Dezember.
Doch was er diesmal zu verkünden hatte, war zwar eine frohe Botschaft – aber in eigener Sache: "Heute kann ich mit Ihnen die gute Nachricht teilen, dass dank Früherkennung, wirksamer Behandlung und der Befolgung ärztlicher Anordnungen mein eigener Therapie-Plan für die Krebsbehandlung im neuen Jahr reduziert werden kann", so der König, der seit Anfang 2024 an einer nicht genannten Krebsart leidet. Aus seinem Umfeld hieß es, der König habe seine eigentliche Feiertagsansprache nicht mit dem Thema belasten wollen, daher habe er sich für diesen früheren Termin entschieden.
Es war eine hoffnungsvolle Ansprache – mit vier Kernbotschaften:
Geht zur Vorsorge
Aber am Freitag hatte Charles sich nicht nur vor die Kamera gesetzt, um über sich zu sprechen. Wie schon im Februar 2024, als er erst seine Prostata-Erkrankung und dann auch noch seine Krebs-Diagnose mit einer für das britische Königshaus nie gekannten Offenheit mit der Öffentlichkeit teilte, tat er das nicht aus dem Gefühl der eigenen Bedeutsamkeit heraus. Sondern um alle Briten zu einem besseren Vorsorgeverhalten zu ermutigen.
Sie sollten alle Früherkennungsangebote nutzen, die das Gesundheitswesen anbiete. Bestürzende Zahlen liegen dem zu Grunde: Bei rund 400.000 Menschen wird in Großbritannien jedes Jahr Krebs gefunden, neun Millionen Menschen seien nicht auf dem neuesten Stand mit den ihnen angebotenen Vorsorge-Untersuchungen.
Der König vermittelte seine Botschaft auch nicht als Breaking-News-Programm, sondern im Rahmen einer Charity-Gala zu Gunsten von Krebsbetroffenen, um nachdrücklich auf ein neues Vorsorge-Online-Tool aufmerksam zu machen: Der "Screening Checker", kostenfrei verfügbar, böte eine einfache Online -Prüfung, um zu erfahren, ob man Anspruch auf Brust‑, Darm‑ oder Gebärmutterhalskrebs‑Screenings habe.
Kann dieser königliche Aufruf wirklich das allgemeine Interesse an Krebsfrüherkennung auf der Insel erhöhen? Ja, denn das ist schon einmal passiert: Nach Bekanntwerden seiner Prostata-Diagnose, als die entsprechende Website innerhalb kurzer Zeit plötzlich eine mehr als 1000 Prozent höhere Zugriffsrate verzeichnete.
Das ist ein positiver Wendepunkt
Doch was bedeuten diese Neuigkeiten für den Monarchen und seinen Gesundheitszustand? Charles signalisiert in seiner Rede durch die Formulierungen "Früherkennung", "wirksame Intervention" und "mein Behandlungsplan kann reduziert werden" deutlich, dass die Therapie bislang erfolgreich verläuft. Und nach Hinweisen aus gut informierten Kreisen in London handelt es sich bei seiner Therapie wohl derzeit um radiologische Bestrahlungen. Sein Zustand hat sich stabilisiert, doch: Die Behandlung ist noch nicht abgeschlossen.
Die Betonung liegt auf seiner Fähigkeit "weiterhin ein erfülltes und aktives Leben" führen zu können, trotz der lebensgefährlichen Erkrankung. Die Ankündigung des reduzierten Behandlungsschemas im neuen Jahr markiert einen Wendepunkt hin zu einer weniger belastenden, vermutlich längerfristigen Nachsorgephase.
König Charles ist wieder da
So hocherfreulich es für ihn, seine Familie und die Briten sowie für viele Royal Fans weltweit ist, markiert dieses Statement des Monarchen aber nicht nur eine positive Wende in seiner Krankengeschichte. Dieses Update zu Charles‘ Gesundheit ist auf einer anderen Ebene auch eine Bestärkung seines Machtanspruchs, seines wiedererstarkten Selbstverständnisses als vollumfänglich handlungsfähiger Monarch, ein "ich bin wieder voll da"- Moment.
Die Phase erhöhter Schonung sei temporär gewesen und ab Januar 2026 beendet, betonte er vielleicht gerade in Richtung seines wichtigsten Vertreters, Sohn William. Immerhin war in letzter Zeit in britischen Medien häufig spekuliert worden, der König sei aufgrund der Krankheit entscheidungsschwach geworden, habe vielleicht auch nicht mehr viel Zeit, um noch etwas zu bewegen. Und hinter den Palast-Kulissen sei Thronfolger Prinz William schon eine Art Co-Regent.
Gerade im Fall des Titelentzugs beim ehemaligen Prinzen Andrew letzten Monat habe der Prinz von Wales de facto die nötigen Entscheidungen veranlasst, weil sein Vater nicht dazu fähig gewesen sei. So sehr die Palastpressestelle betonte, Charles sei die treibende Kraft hinter dem Titelentzug gewesen: Wer ihn beim Staatsbesuch von Bundespräsident Steinmeier in Windsor aus der Nähe erlebte, sah einen fragil und erschöpft aussehenden König und eine angespannte Königin Camilla, während William und Kate im direkten Vergleich fröhlich, kraftvoll und motiviert wirkten. Doch der zukünftige König wird sich wohl noch eine Weile damit begnügen müssen, seinen Vater zu unterstützen, wo gewünscht, und sich ansonsten um seine eigenen Projekte und seine junge Familie kümmern.
Ich bin König, um zu dienen
Doch der wichtigste Grund für König Charles‘ Fernsehauftritt ist und bleibt, entsprechend seinem Krönungsschwur "I am here to serve" ("Ich bin hier, um zu dienen"), seine eigenen Erfahrungen für seine Untertanen sichtbar und dienstbar zu machen: Durch seine Krebsdiagnose ist er automatisch Mitglied einer Leidens- und Kampfgemeinschaft geworden, kann auf Augenhöhe mit Betroffenen sprechen und wird dadurch anders und menschlicher wahrgenommen, als zuvor. Selbst über eine gelegentliche Umarmung von Menschen, denen er bei seinen Terminen begegnet, freut er sich mittlerweile, statt davor zurückzuweichen. Oder wie seine Mutter, die verstorbene Queen, generell streng die royale Distanz zu waren.
Früher hieß es, Könige von Gottes Gnaden hätten die Gabe, Menschen durch Auflegen ihrer hohen Hand zu heilen. Diese Zeiten sind vorbei. Charles III. würde man das heutzutage sicher nicht zutrauen. Aber durch seinen ungewohnt offenen und persönlich engagierten Umgang mit seiner Erkrankung könnte er vielleicht trotzdem dazu beitragen, dass so manches Menschenleben gerettet wird.