Zuerst zittert nur ihr Kinn, dann beginnt die Stimme zu beben. Im nächsten Moment, das spürt jeder Zuschauer von Oprah Winfreys Talkshow, werden bei Naomi Campbell alle Dämme brechen. Und richtig: Als die Gastgeberin auf ihre vielen Ausraster zu sprechen kommt, für die das Supermodel bereits des Öfteren vor Gericht stand, laufen diesem prompt die Tränen über die Wangen. "Ich denke, eine Art emotionale Störung ist der Grund dafür", bricht es aus Naomi heraus. "Sie kommen von meiner Angst, verlassen zu werden." Sie wischt sich hektisch mit dem Handrücken übers Gesicht und fährt stockend fort. Sie sehe vor allem dann rot, wenn sie das Gefühl beschleiche, von Vertrauten verraten zu werden.
Tatsächlich zählen zu Naomis Opfern auch Personen aus ihrem engsten Umfeld, eine Putzfrau zum Beispiel oder jene Assistentin, nach der sie mit einem Handy warf. Richtig befriedigen kann diese Erklärung dennoch nicht, wenn man an all die Wildfremden denkt, die mit dem zupackenden Temperament des Models Bekanntschaft machen mussten. Immerhin zeigt die Aufbrausende in diesen Momenten eine Einsicht in ihre Defizite, die vor dieser Sendung kaum jemand für möglich gehalten hätte. Zwar bekennt sie nicht ihre Schuld, doch spricht sie klar von inneren Qualen: "Wenn ich austicke, schäme ich mich danach sehr", beteuert die 39-Jährige, "und frage mich: 'Was habe ich nur getan?'"
Was sie leider immer mal wieder tut, weiß die ganze Welt ziemlich genau, doch Naomi gewährt in der Show auch Einblicke in einen Bereich ihres Lebens, den sie bisher strikt geheim gehalten hat: ihre verkorkste Kindheit. Weil Mutter Valerie, eine Tänzerin, sie als kleines Mädchen häufig allein gelassen habe, habe sie sich stets zurückgesetzt und vernachlässigt gefühlt, erzählt das Model. Daraus resultiere wohl auch ihre plötzlich aufflammende Wut. Valerie Campbell sitzt im Publikum und bestätigt sofort: "Das ist richtig - ich fühlte damals schon, dass sie zu kurz kommt." Die Mutter ist gerührt, und der Tochter kommen erneut die Tränen.
Gefunden in...
...der Zeitschrift Gala. Titelthema in Heft 20: "Sieg für die Liebe - wie die glücklichsten Paare Hollywoods ihre Krise bewältigt haben
Reine Show zur Imagerettung oder echte Auseinandersetzung mit sich selbst und der Vergangenheit? Diese Fragen stellen sich spätestens dann, wenn man weiß, dass vor Oprah Winfreys Sendungen alle Inhalte genauestens abgesprochen werden. Und Naomis Ansehen war ziemlich im Keller, nachdem sie zuletzt einen Kameramann im Zorn heftig angerempelt hatte. Dabei hatte der Mann nur das Pech gehabt, ihr im Weg zu stehen. Zuvor war Naomi in einem Interview mit dem Nachrichtensender ABC gefragt worden, ob sie einen Diamanten vom einstigen liberianischen Diktator Charles Taylor erhalten habe. Gewiss kein angenehmes Thema, zumal es spekulieren lässt, ob die Schöne mit dem Kriegsverbrecher mehr gehabt habe als nur ein Date zum Dinner. Aber: Was konnte der Kameramann dafür? Das konnte niemand mehr verstehen, und deshalb kam der öffentliche Bußgang zu Oprah und ihrem Millionenpublikum natürlich sehr gelegen.
Neben Mutter Valerie sitzt Naomis Lebensgefährte Vladislav Doronin, 47. Von dem Zusammenleben mit dem russischen Geschäftsmann schwärmt Naomi in den höchsten Tönen: Ihm zuliebe sei sie nach Moskau gezogen. In der russischen Metropole fühle sie sich sehr wohl. Und sagt über Vlad: "Ich mag starke Männer, die die Hosen anhaben, ihre eigenen Entscheidungen treffen und wissen, was sie wollen", gesteht sie, ihr Blick auf den sichtlich erfreuten Partner ist nun campbell-like tränenfrei. Wegen ihm trinkt das Model seit eineinhalb Jahren keinen Tropfen Alkohol mehr, ernährt sich zudem ausnehmend gesund und fleischlos. Und auch mit seiner Tochter Katia aus der noch bestehenden Ehe mit Ekaterina Doronin versteht sie sich prima.
Alles prima? Zuletzt gelobt die Diva: "Ich bin wirklich nicht stolz auf die Dinge, die ich getan habe. Ich werde mich bessern. Ich will ein besserer Mensch sein." Naomi lächelt, und das Publikum applaudiert begeistert.