Der Sohn eines Wiener Bankdirektors war 28 Jahre lang sozialdemo-kratischer Bürgermeister von Jerusalem und setzte sich leidenschaftlich für die Versöhnung von Juden und Deutschen ein STERN: Mit fast 90 Jahren sind Sie noch immer sehr engagiert. Was werden Sie heute tun?
KOLLEK: Ich gehe zur 'Jerusalem Foundation', die ich als Bürgermeister gegründet habe, und suche nach Sponsoren für unsere Projekte. Wir schaffen Parks, Kindergärten, Büchereien und kümmern uns um Bedürftige, unabhängig von Religion oder Nationalität. Unser größter Erfolg zum Beispiel war eine arabische Klinik.
STERN: Woran arbeiten Sie zur Zeit?
KOLLEK: Ich habe eben in der Altstadt die Renovierung der Via Dolorosa beendet. Wir haben für die Millenniums-Pilger alles originalgetreu wieder hergerichtet. Jetzt arbeite ich an dem Projekt Arche Noah . Wir stellen 25 große bunte Tierskulpturen auf. Sie werden von bekannten Künstlern geschaffen, und jeder Sponsor kauft ein Tier. Wir haben auch schon das Geld für die Hälfte der Tiere zusammen. Der Herausgeber der österreichischen 'Kronen-Zeitung' zum Beispiel hat uns 300000 Dollar für den Gorilla gespendet.
STERN: Sie wurden in Österreich geboren. An dem Haus, in dem sie wohnten, hängt ein Messingschild mit den Worten: 'Hier lebte Teddy Kollek, Bürgermeister von Jerusalem'. Wie denken Sie über den Wahlerfolg des Rechtsextremen Jörg Haider?
KOLLEK: Wien ist eine wunderschöne Stadt, und mein Großvater, wie auch der Vater meiner Frau Tamar waren dort angesehene Rabbis. Aber ich habe kein Heimweh nach Österreich. Die waren noch antisemitischer als die Deutschen.
STERN: Als die Israelis 1967 im Sechs-Tage-Krieg die Altstadt von Jerusalem eroberten, haben Sie als Bürgermeister der Stadt die Mauer einreißen lassen, die die Weststadt von der arabischen Oststadt trennte. Jetzt wollen die Palästinenser Jerusalem zur Hauptstadt ausrufen. Was halten Sie davon?
KOLLEK: Ich würde Jerusalem in Bezirke aufteilen und jeden seine Probleme selbstständig angehen lassen. Wasser und sonstige Infrastruktur würde eine zentrale Behörde verwalten. Das ist die einzige logische Lösung, und ich glaube, so wird es auch kommen. Aber ich bestimme die Politik nicht mehr.
STERN: Würden die Israelis denn den Palästinensern im Rahmen eines Friedensvertrags Ost-Jerusalem als Hauptstadt überlassen?
KOLLEK: Wenn wir vor 30 Jahren nach dem Sechs-Tage-Krieg nicht so dumm gewesen wären, hätten wir bereits Frieden. Nachdem wir die Mauer in Jerusalem eingerissen hatten, zeigte ich Ben Gurion die Altstadt. Obwohl Ben Gurion schon in Ruhestand war und im Kibbuz lebte, leisteten uns der Kommandeur der Luftwaffe und andere Offiziere beim Mittagessen Gesellschaft. Die Offiziere sagten, dass die Araber nach ihrer schweren Niederlage nun sicher zum Frieden bereit seien. Aber Ben Gurion sagte: 'Nein, das werden sie nicht, denn die Araber sind stolz und können nach so einem Fiasko keinen Frieden vorschlagen. Wir müssen das behalten, was wirklich wichtig ist, und ihnen den Rest zurückgeben.' Hätten wir auf Ben Gurion gehört, wären wir heute viel besser dran, und die Araber würden nicht mit uns um jeden Millimeter streiten.
STERN: 45 Jahre lang war Ihr Apartment in Jerusalem ein internationaler Treffpunkt. Stars wie Danny Kaye, Marlene Dietrich oder Elizabeth Taylor haben dort Tamars Hühnersuppe gegessen. Und doch sind Sie letztes Jahr plötzlich ins Altenheim gezogen. Warum?
KOLLEK: Ich hatte Probleme mit den Knien, und es fiel mir immer schwerer, drei Stockwerke hochzusteigen. Ich wollte auf der Rückseite einen Aufzug anbringen, aber die anderen Mieter waren dagegen.
STERN: In Deutschland gab es eine große Diskussion darüber, ob und wie viel den Zwangsarbeitern bezahlt werden soll. Was meinen Sie?
KOLLEK: Egal, wie viel die Deutschen zahlen, das Leiden und den Schmerz, den sie den Zwangsarbeitern zugefügt haben, kann man nicht mit Geld bezahlen.
STERN: Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, was würden Sie sich wünschen?
KOLLEK: Leichte Frage. Frieden.