Schon bevor ich mit meiner Frau Kinder bekam, hatte ich Ärger wegen des Weihnachtsmannes. Ich sollte nämlich bei Freunden am Heiligen Abend einen solchen simulieren, zog also einen roten Mantel an, setzte eine Kapuze auf und klebte mir einen Bart an. Dann sprang ich ins Wohnzimmer der befreundeten Familie und rief: "Ho, ho, ho!" Die kleine Verena blickte auf und fragte: "Warum hat denn Onkel Kester so eine doofe Mütze auf?" Ich sagte wieder: "Ho, ho, ho", und verließ rückwärts gehend das Zimmer, nicht ohne mit dem Gabensack noch einen Kerzenständer vom Beistelltisch zu fegen. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass der fusselnde Bart lungengängige Mineralfasern enthielt (damals lief die Asbestdiskussion), und machte mir deshalb wochenlang Sorgen. Und dann sagte Verenas Mutter im Flur auch noch: "Na, du bist mir ja vielleicht ein Weihnachtsmann."
Später dann, als unsere gross artigen Jungs auf der Welt waren, kamen wir erst einmal ganz gut ohne Santa Claus aus. Die ersten beiden Jahre reichte es, die Geschenke einfach unter den Baum zu legen. Die wurden dann ausgepackt und begeistert vollgespeichelt. Und als die Jungs dann älter wurden, beschlossen meine Frau und ich, dass wir auch weiterhin nichts von einem Weihnachtsmann erzählen wollten. Denn warum sollten wir das gemeinsame Beschenken und das Gedenken an die Geburt des Herrn mit einer Lüge beschmutzen? Dann aber kamen die Jungs in den Kindergarten. Und dort erzählten ihnen die anderen von diesem bärtigen Wohltäter, der all die Kinder weltweit beschenkt. Na, ja, fast alle. Mehmet nicht, und der fand das verständlicherweise total fies. "Da geht es schon los", sagte ich. "Kaum ist der Weihnachtsmann im Spiel, kommt es zum Clash of Civilizations." Unsere Jungs aber waren begeistert. Sie wollten glauben. An Santa Claus und Rudolf, das besoffene Rentier mit dem roten Zinken, und den vollgepackten Schlitten und die Glöckchen und das alles. Und so ließen wir es zu und machten das Spiel mit. Sie durften Wunschzettel an den alten Mann schreiben.
"Der macht das bestimmt zusammen mit Superman"
Und - ja - wir sagten sogar Sätze wie: "Wenn du jetzt schön ins Bett gehst, dann freut sich auch der Weihnachtsmann, und du bekommst die Playmo- Ritterburg mit der Folterkammer." Ja, wir hatten gesündigt. Santa war in uns. Doch dann, eines Tages, reichte es mir. Unsere Kinder lernten in der Vorschule wissenschaftliche Dinge, erfuhren vom All und den Naturgesetzen. Und so recherchierte ich, setzte mich eines Abends an ihr Etagenbett und sagte: "Männer, wenn der Weihnachtsmann an einem Tag des Jahres sämtliche Kinder der Christenheit beschenken würde, müsste er mit dreitausendfacher Schallgeschwindigkeit fliegen. Dann würde er aber mitsamt seinen Tieren und dem Schlitten wie eine Raumkapsel beim Eintritt in die Erdatmosphäre verglühen. Setzt man zudem nur ein Kilo pro Geschenk an, würde sein Schlitten 326.400 Tonnen wiegen und müsste von 200.000 Rentieren gezogen werden. Und dazu müsste er es noch schaffen, in einer Sekunde genau 822,6 Familien zu beschenken. Männer, das schafft der nie. Es gibt keinen Weihnachtsmann." Beide blickten mich aufmerksam an, der Große überlegte einen Moment und sagte dann zum Kleinen: "Der macht das bestimmt zusammen mit Superman." Da gab ich auf.