Weiß, wohin man blickt. Die Designer auf den noch bis zum Donnerstag laufenden Mailänder Männer-Defilees für die Saison Frühjahr/Sommer 2006 haben einen gemeinsamen Favoriten: den Anzug in der reinsten aller Farben. Er wird somit zum Schlüsselelement der neuen Mode. Um ihn herum gruppiert sich ein Farbbild, das eher leise Töne anschlägt. Die Designer ringen dem Blau, Flieder oder Rosa pastellige, rauchige und helle Nuancen ab. Andere starke Farbeinflüsse kommen aus der Natur.
Miami Weiß
Zu ihren weißen Anzügen kombiniert Donatella Versace tief ausgeschnittene T-Shirts oder schwarz-weiß gemusterte Hemden, dazu Slipper oder Schnürschuhe im gleichen Farbkontrast. Ihr Hauptthema heißt Miami. Pastellfarben, der lässige Look der Detektive Crocket und Tubbs aus der 80er Jahre Serie "Miami Vice", bestimmen einen Teil der Mode.
Aus gutem Grund: Versace entwirft die Kleidung der Hauptakteure eines gerade entstehenden Remakes für das Kino. Doch es gibt bei ihr auch den vor sexueller Anziehungskraft strotzenden Mann, der sein Hemd offen trägt und die Muskeln unter der Lederweste spielen lässt. Seidenhemden und Badeshorts erinnern an das glamouröse Strandleben von Miami Beach.
"Männer sollten keine Angst davor haben, Weiß zu tragen"
Zur Überraschung aller Besucher nahm am Sonntagabend auch Donatellas sonst hermetisch von der Öffentlichkeit abgeschirmte Tochter Allegra in der ersten Reihe der Show Platz. Seit ihrem 18. Geburtstag im vergangenen Jahr ist sie mit ihrem 50-Prozent-Anteil Hauptaktionärin des Familienunternehmens.
"Männer sollten keine Angst davor haben, Weiß zu tragen, selbst wenn der Farbe der Ruf des Fragilen anhaftet. Sie ist das Symbol einer neuen Art von Luxus", sagt der belgische Designer Dirk Bikkembergs.
Auch Gabriele Strehle hat sich mit der Frage nach der Männlichkeit von Weiß beschäftigt. "Ich habe es in Schattierungen von milch- bis graustichig umgesetzt. Kombiniert mit griffigen Stoffen, wirkt die Farbe dann durchaus maskulin", sagte die Frau hinter der deutschen Marke Strenesse am Rande ihrer Präsentation.
Offene Hose ist schick
Jeans, längst ein Muss in jeder Designer-Linie, erhalten bei dem Mailänder Duo Dolce & Gabbana ein verblüffendes Detail: einen zweiten Reißverschluss am Hosenschlitz. Der Clou: Er soll offen getragen werden. Neue Impulse erfahren die Mailänder Schauen durch die vielen Engländer, die mittlerweile hier ihre Kollektionen vorführen.
Vor allem Burberry Prorsum profiliert sich mehr und mehr als eines der wichtigsten Labels überhaupt. Hinter dem Erfolg steht der Designer Christopher Bailey. Das England der 60er Jahre, Werk und Lebensstil der Fotografen Lord Snowdon und Lord Lichfield bilden den thematischen Hintergrund seiner neuen Kollektion.
Standard ist bei Burberry ist der Trenchcoat - dieses Mal mit großen goldenen Knöpfen. Exzentrik spielt auch in Vivienne Westwoods Lebenswerk eine große Rolle. Sie zerlegt Hemden in Fragmente und zieht darüber ein Strick- Shirt oder vermischt Streifen mit Karos.
Ihr Landsmann Ozwald Boateng ist eher ein Vertreter der klassischen, englischen Schule, der Savile Row. Jener Londoner Meile, wo sich Maßschneider an Maßschneider reiht. Sein Markenzeichen sind Anzüge in kräftigen Farben. Der neuen Modestimmung angemessen, trumpft er dieses Mal nicht ganz so exzessiv auf, zeigt auch viel Weiß und ein helles Grau. Immerhin: Sein Smoking ist noch kräftig rot.