Das mit dem Feminismus hat sich irgendwie beinahe zufällig ergeben. Wenn es so etwas wie Zufälle in der eigenen Biografie überhaupt gibt. Für Katja Klengel ging es mit Spielzeug los, das war ihr schon als Kind heilig und ist auch für die erwachsene Comiczeichnerin noch ein Herzensthema. Klengel hat eine Sammlung von Figuren, deren Grundstein mit einer Barbie gelegt wurde, die sie geschenkt bekam, als sie für längere Zeit krank das Bett hüten musste. "Bis heute ist Spielzeug ein heilsames, tröstliches Mittel für mich", erklärt die Autorin in ihrer fiktionalisierten Autobiografie "Girlsplaining". Doch das zugeben zu können, hat eine Weile gedauert, denn es gab Zeiten, in denen ihr diese Liebe peinlich war. "Jetzt mache ich keinen Hehl mehr aus meiner Sammelleidenschaft. Im Gegenteil!", schreibt sie. Im Interview mit NEON schildert Klengel, wie sie das zum Feminismus geführt hat.
"Es gab einen persönlichen Anlass, der das Ganze zum Laufen gebracht hat. Ich habe damals einen Blog geführt, der nannte sich 'Blattonisch'. Dort habe ich autobiografische Webcomics veröffentlicht. Aus meiner Alter-Ego-Perspektive habe ich einen Beitrag zum Thema gegendertes Spielzeug gemacht. Ich habe mich darüber aufgeregt, weil ich Spielzeug so gern mag und nicht verstanden habe, warum zwischen Jungen- und Mädchen-Spielzeug unterschieden wird", erzählt Klengel. "Daraufhin hat 'Broadly' ein Interview mit mir geführt und mich anschließend gefragt, ob ich mir einen monatlichen Kolumnenbeitrag für ihr Onlineportal vorstellen könnte." Die feministische Website "Broadly" gehört zum "Vice"-Magazin. Mit dem Auftrag begann Klengel, Stereotype, Tabus und gesellschaftliche Konventionen humoristisch offenzulegen. Auf der Basis der Kolumne entstand das Buch "Girlsplaining".
NEON fragt nach
In "Girlsplaining" erzählst du von persönlichen Erfahrungen. Wo ist bei dir die Grenze, Privates preiszugeben?
Das mache ich vom Themengebiet abhängig, ich fiktionalisiere meine autobiografischen Geschichten ja ohnehin. Vieles ist wahr, aber vieles ist auch in gewisser Form überzeichnet. Ich ziehe dann eine Grenze, wenn es in die Privatsphäre einer mir nahestehenden Person eingreift, weil ich denke, das wäre nicht richtig. Viele meiner Bekannten frage ich natürlich auch vorher, wenn ich sie mal verwurste.
Dir gegenüber bist du schonungslos?
Ja, weil ich für mich selbst entscheiden kann, wo meine Grenze ist und mich selber fragen, ob das so okay ist oder ob ich jetzt mit Absicht in die Wunde hineingehe, um so gegen die Tabuisierung bestimmter Themen vorzugehen. Ich muss je nach Episode ausloten, wo die Grenze ist, was jetzt wichtig zu sagen wäre und ob das bedeuten könnte, dass ich da auch offener werde, als ich das vielleicht vorgehabt hatte.
Bei der Benennung der weiblichen Geschlechtsorgane bleibst du bei den lateinischen Begriffen. Warum?
Gibt es überhaupt einen deutschen Begriff für die Vulva?
Es sind vier: Schamlippen, Venushügel, Scheidenvorhof und Kitzler.
Aber es gibt keinen Begriff, der sie alle zusammenfasst. Das ist ja das Problem. Die deutschen Wörter, die mir jetzt einfallen, Scheide etc., bezeichnen ja nicht die äußeren Merkmale. Und gerade das Wort Scheide, es kommt ja von der Messerscheide, ist wieder darauf bezogen, dass man etwas hineinsteckt. Ein Begriff, den ich sehr unpassend finde.
Einerseits hast du in deinem Buch gegendertes Spielzeug kritisiert, andererseits gestaltest du es in Rosa. Wie ist das zu verstehen?
Ich muss selbst immer lachen, wenn ich bei Lesungen an die Stelle komme: "Ich hatte nur ein Lego und das war ausgerechnet pink". Das ist ein bisschen ironisch gemeint, denn die Farbe Rosa ist oft schon besetzt mit Prinzessinnen und Mädchen. Früher war Rot tatsächlich eher für Jungen und deshalb kann man sich die Farbe vielleicht mal wieder zurückerobern, sie more edgy machen, dieses Prinzessinnen-Bild mal aufbrechen. Sodass gerade Leute, die das Buch in der Hand halten, denken: "Oh, das ist ja was mit Einhörnern" – und dann überrascht sind. Und dieses schmutzige Altrosa mag ich persönlich ganz gerne.
Glaubst du, dass Jungen oder junge Männer weniger Probleme mit körperlichen Veränderungen oder ihrer Sexualität haben?
Nein, das glaube ich nicht. Ich glaube, sie haben genauso Probleme und sind genauso unter Druck gesetzt, müssen gewissen Rollenbildern entsprechen, den männlichen Normen. Genau in dieser Teenagerzeit kann so eine toxische Energie entstehen, weil junge Männer so unter Druck stehen, vielleicht sogar teilweise zu Machos erzogen werden und dann genauso mit ihren Rollenvorurteilen zu kämpfen haben; dass der Mann immer stark sein muss, keine Schwäche zeigen darf. Es gab mal eine Reaktion auf einen Comic, da hat ein Mann zu mir gesagt: "Uns tut der Sex übrigens beim ersten Mal auch weh." Ich glaube, dass das Bedürfnis auch bei jungen Männern und Jungs da ist, darüber zu reden.
