Seit Veröffentlichung am Donnerstagnachmittag diskutiert Deutschland über "Deutschland" – das neue Video von Rammstein zum ersten Song der Berliner Band seit 2011. Was die erreichte Aufmerksamkeit angeht, muss dieses Comeback als gelungen bezeichnet werden, davon zeugen nicht zuletzt knapp 13 Millionen Klicks in zwei Tagen. Nur über die Art und Weise sind sich die Beobachter, Fans und Presse, weiter uneinig.
Der spektakuläre Clip (mehr dazu hier) ist ein wilder Ritt durch die deutsche Geschichte, inszeniert in der typischen Rammstein-Ästhetik. Schon der Teaser zum Video hatte im Vorfeld für Empörung gesorgt, weil darin die Bandmitglieder in Uniform von KZ-Insassen mit Strick um den Hals auf ihre Hinrichtung warteten.
Rammstein: So kontrovers reagiert die Presse
Auch drei Tage später ist diese Empörung zumindest in Teilen der deutschen Presselandschaft noch nicht abgeklungen, andere Stimmen feiern das bombastische Werk dagegen euphorisch.
Davon zeugt unser Überblick über die kontroversen Pressestimmen:
Der Westen: "Dick aufgetragen ist das alles in jedem Fall. Wie üblich. Provokant ebenfalls. Wie üblich. Rammstein ist eben eine gut laufende PR-Maschine, die über Provokation funktioniert. Das Album 'Liebe ist für alle da' aus dem Jahr 2009 etwa wurde wegen seines Coverfotos indiziert – jugendgefährdende S/M-Praktiken seien darauf zu sehen. Trotzdem (oder gerade deswegen) verkaufte sich das Album wie geschnitten Brot."
Neue Osnabrücker Zeitung: "'Wer interessieren will, muss provozieren', wusste schon Salvador Dalí. Bei Rammstein ist die gezielte Grenzüberschreitung systemimmanent. Seit 25 Jahren thematisieren die Berliner Tabus, brechen sie und zwingen dazu, in Abgründe zu schauen. Das kann man mögen oder abstoßend finden. Aber das Gesehene für bare Münze zu nehmen, ignoriert sträflich die Doppelbödigkeit, die dahintersteht."
Zeit Online: "Erstaunlich ist Deutschland, weil Rammstein darin im 25. Jahr ihrer Karriere den Kern ihrer Kunst und ihrer politischen und sexuellen Ästhetik freilegen. Diese sonderbare Mischung aus erotischer Aggressivität und Verklemmtheit, aus männlicher Tatkraft und masochistischer Opferpose, aus Brutalität und Weinerlichkeit, die das Schaffen der Band seit jeher prägte, wurde wohl noch nie so konzise formuliert wie in diesem Film."
Spiegel Online: "So eindeutig wie hier haben sich Rammstein bisher noch nie vom Nationalismus distanziert. Nicht auszuschließen, dass auf der kommenden Tournee in Stadien weltweit 'Deutschland!' gebellt werden wird, mit gereckten Fäusten, wie beim Fußball. Anders als beim Fußball aber waltet hier wenigstens ein wenig Ambivalenz. Deutschland? 'Meine Liebe kann ich dir nicht geben', rollt Lindemann das R wie Sisyphos seinen Stein. Zwar bleibt das einfältig, ist aber auch kein Essay von Klaus Theweleit. Sondern Pop, Musik für die Massen. Eine delirierende Meditation über Identität - damit spielte Jan Böhmermann vor ein paar Jahren schon mit seiner Rammstein-Parodie 'Be Deutsch'. Identitäre und andere Rassisten werden daran keine Freude haben."
Vice: "Warum die Volltrottel-Band Rammstein dringend untergehen muss (...) Rammstein steht wirklich für Deutschland, aber anders, als die Band es will. Ihr Sänger Till Lindemann ist genau diese Art von deutschem Herrenmenschen, der seine Besitzansprüche kalt und effizient geltend macht, ohne Gnade, ohne Grenze. Aber er ist dabei weniger das in Lederuniform und zwischen Flammen aufmarschierende Blut-Tier, das er gerne auf der Bühne darstellt. Sondern ein gewöhnlicher, engherziger, deutscher Spießer."