
Dieser Artikel ist zuerst erschienen bei:
Wenn ich einen anstrengenden Arbeitstag hatte, gibt es für mich mehrere Optionen abzuschalten. Ich raffe mich manchmal auf und treffe mich noch mit Freunden, gehe zu einem Event oder in irgendein nettes Restaurant, wo ich gutes Essen mit einem Glas Wein genieße. Oder ich setze mich auf die Couch, lese oder entspanne einfach. Auch Sex ist immer eine gute Wahl. Wenn ich im Café eine Schokolade bestelle, habe ich schon "Ja" gesagt, bevor die Kellnerin überhaupt gefragt hat, ob sie auch Sahne bringen soll. Im Fitnessstudio betrüge ich mich selbst. Dort bin ich seit Juni angemeldet und war genau zweimal da (okay, dreimal, aber einmal davon eigentlich nur wegen der Freigetränke) Auch runde ich jedes Mal die Trainingszeit auf, damit ich schneller wieder gehen kann.
Im Urlaub ist er wie ein Bekloppter am Strand entlang gejoggt
Als ich meinen Freund kennengelernt habe, bzw. das erste Mal richtig bewusst wahrgenommen habe, wie er aussieht, ist mir natürlich aufgefallen, dass jeder Muskel seines Körpers genau definiert ist. Mir war auch klar, dass man für so einen Body arbeiten muss, was ja aber nicht mein Problem sei, wie ich dachte. Ehrlich gesagt fühlt es sich allerdings ziemlich beschissen an, mit einer echten Sportskanone zusammen zu sein, wenn die eigene Kondition quasi nicht vorhanden ist.
Mein Freund geht, wenn es zeitlich machbar ist, zweimal pro Woche abends Fußball spielen. Egal wo er ist, rennt er auch zwei- bis dreimal pro Woche ins Fitnessstudio. Sogar in unserem einzigen richtigen Urlaub, im August in Malaysia, ist er wie ein Bekloppter am Strand entlang gejoggt.
Ich weiß, dass Sport gesund ist und dass fitte Menschen vieles einfacher haben. Aber ich hasse es. Viel mehr als alles andere (außer vielleicht Nazis). Hier prallen zwei Welten aufeinander. Ich liebe Essen, guten Wein, koche mit Sahne, anstatt mit Sahneersatz, lasse eine S-Bahn wegfahren und warte auf die nächste, anstatt zu rennen. Und es ist toll. Aber mein Liebster, der isst abends keine Kohlenhydrate mehr, der rennt, so oft es geht, zum Sport und manchmal komme ich abends ins Schlafzimmer und da macht er noch ein paar Liegestütze, um sich auszupowern. Liegestütze!
Ich bin stolzer Nicht-Sportler
Ich finde nicht, dass man unbedingt sportlich sein muss. Mir geht dieser Trend, des allzeitbereiten Fitnesshäschens, unfassbar auf den Zeiger. Wenn man aber in einer Beziehung mit jemandem ist, der Sport einfach liebt, der im Abi den Sport-Leistungskurs hatte und einfach alles über Muskelaufbau und Ernährung weiß, dann kann das problematisch werden. Im Privatleben, bei der Urlaubsplanung, im Alltag, im Job.
Er kann sich die vorwurfsvollen Blicke nicht verkneifen, wenn ich mir beispielsweise Schokolade kaufe. Nicht, weil ich zu dick wäre, sondern weil es ungesund sei. Im Urlaub möchte er ständig Dinge tun, die mit Anstrengung, Schweiß und Auspowern zu tun haben, womit nicht Sex gemeint ist. Ich bin stolzer Nicht-Sportler, aber ich muss zugeben, dass es schade ist, wenn irgendwo alle Basketball spielen und ich lieber nicht mitspiele. Und zwar nicht, weil ich es nicht kann, sondern weil ich absolut keine Kondition habe. Ich hab es versucht, aber es macht mir keinen Spaß und ich bin kein Fan davon, sich zu Dingen zu zwingen, die man nicht mag. Also bleibe ich unsportlich und schaue dem Mann, den ich liebe, zu, wie er sich quält und dabei ein breites Grinsen im Gesicht bekommt. Ich gewöhne mich daran, dass wenn er auf Dienstreise ist, er abends nicht anrufen kann, da er noch ins Fitnessstudio rennt. Derweil lasse ich zu Hause die Champagner-Korken knallen. Schön, dass wir nicht alle gleich sein müssen.
