"Warum soll ich es nur mit mir selbst und einem Anderen tun, ich bin doch keine Primzahl!" Dies erklärte mir kürzlich eine Freundin, die sich vom System der Monogamie verabschiedete. "Wie soll ein einziger Mensch alle meine Bedürfnisse erfüllen bzw. wie soll ich dieser eine Mensch sein? Geht das überhaupt?", fragte sie mich ungläubig und ich pflichtete ihr bei. Auch ich wollte niemandes Primzahl sein.
Nach wie vor ist die Partnerschaft das Non-Plus-Ultra unserer Gesellschaft. Nicht selten ist man Vorurteilen, kritischen Blicken und – was am schlimmsten ist – gut gemeinten Ratschlägen zur Änderung seines Beziehungsstatus ausgesetzt, wenn man nicht nach diesem Konzept lebt oder leben möchte. Es wird einem eingeredet, unvollständig und nicht liebenswert zu sein. Irgendwas stimmt doch mit dem oder der nicht, sonst wär er/sie doch nicht immer noch Single.
In eurer "Samstags kaufen wir gemeinsam Bettwäsche ein"-Welt
Sollte man sich dann doch mal auf einen dieser Pärchenabende verirren, so wird man – sofern nicht gerade über Heiraten, Kinder kriegen oder den neuen Thermomix gesprochen wird – mit herablassenden Ratschlägen zur Partnerfindung überhäuft. Vielleicht sei man ja einfach zu wählerisch, zu verbittert oder gar im Laufe der Single-Jahre beziehungsunfähig geworden. Ob man es nicht schon mal mit Tinder, Parship oder anderen Datingseiten versucht habe, man werde ja schließlich nicht jünger. Nein, liebe Freunde! Es mag schwer vorstellbar sein in eurer "Samstags-kaufen wir gemeinsam Bettwäsche ein"-Welt, aber es gibt Menschen, die sich auch ohne Partnerschaft vollständig fühlen. Man möchte sich nicht in seiner Freiheit eingrenzen lassen, möchte nicht den Rest seines Lebens mit derselben Person teilen, geschweige denn jetzt eine Vielzahl an Kindern in die Welt setzen.
"Vielleicht möchte ich niemals Kinder." Ein Satz der im Raum steht wie der neu gekaufte Thermomix und der nun ausgiebig thematisiert werden muss. Große, ungläubige Augen schauen einen an, wenn man dieses Geständnis macht. "Aber jede Frau will doch Kinder. Das sagst du nur, weil du momentan deprimiert bist." Nein, das tu ich nicht. Ich bin auch nicht deprimiert. Egal wie lange ihr versucht, mir meine Unvollständigkeit vor Augen zu führen und mir einzureden, dass ich deprimiert sein sollte – ich bin es tatsächlich nur in eurer Gegenwart. Ihr deprimiert mich, weil ihr mir euren Lebensstil aufs Auge drücken wollt. Darf nicht jeder den Weg zu seinem vermeintlichen Glück selbst wählen?
Bitte verschont mich mit guten Ratschlägen und mitleidigen Blicken
Ich finde es traurig, dass es plötzlich kein "Ich", sondern nur noch ein "Wir" gibt, dass man keinen Schritt mehr alleine aus dem Haus tun kann, und vor allem, dass der eigene Feminismus irgendwo in der Ecke verstaubt und nur noch zu besonderen Anlässen hervorgeholt wird. Dass nur noch über Kuchen backen, Hausarbeit, die Probleme des täglichen Zusammenlebens und natürlich – nicht zu vergessen – den neuen Thermomix geredet wird. Es sei euch vergönnt, wenn dies euer Lebensziel ist, aber bitte verschont mich mit guten Ratschlägen und euren mitleidigen Blicken. Sollte ich jemals in Erwägung ziehen, mir ein einfaches Küchengerät in Höhe eines vierstelligen Betrags zu kaufen, dann weist mich bitte in die nächste psychiatrische Klinik ein.
Darf nicht jeder die Zahl sein, die er sein möchte? Ob rationale Zahl, irrationale Zahl oder eben Primzahl. Setzt eure Gleichung nach euren eigenen Wünschen zusammen. Vielleicht steht am Ende ein zufriedenstellendes Ergebnis. Doch was am wichtigsten ist: Verschont mich bitte in Gottes Namen mit Gesprächen über diesen verdammten Thermomix, zumindest für die nächsten 20 Jahre. Vielen Dank.
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