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Aussteiger in Australien Wie ein Millionär alles verlor und zum modernen Robinson Crusoe wurde

Aussteiger David Glasheen mit seinem Hund Quasimodo
Seit zwei Jahrzehnten lebt der australische Aussteiger David Glasheen schon auf der einsamen Insel Restoration Island. Sein einziger Begleiter: Hund Quasimodo
© docastaway - Desert Island Experiences/ Youtube Screenshot
Er war Millionär, lebte in unvorstellbarem Luxus. Sein Geld machte er an der Börse, bis ihn der größte Kursverlust der Geschichte um sieben Millionen Dollar brachte. Seit 20 Jahren lebt David Glasheen nun auf einer einsamen Insel und nennt sich den "glücklichsten Kerl der Welt".

Ein Mann, eine einsame Insel, Strand, Palmen, keine Menschenseele - das Leben des Australiers Davis Glasheen klingt wie eine Adaption von Daniel Dafoe's "Robinson Crusoe". Nur ohne Kannibalen und Piraten. Denn auch David Glasheen hat Schiffbruch erlitten, bevor er auf einem einsamen Fleckchen Erde gestrandet ist: Restoration Island vor der Nordküste Australiens.

Nur war es weniger ein Sturm, hoher Seegang oder ein Leck im Schiff, das Glasheen kentern ließ, sondern der raue Aktienmarkt. Dort handelte der heute 74-Jährige mit Wertpapieren, verdiente Millionen, war Vorstandsvorsitzender einer Firma, die sich auf Goldabbau in Papua Neuguinea spezialisiert hatte. Mit seinem Vermögen kaufte er Luxusimmobilien.

Eine neue Liebe vor der Nordküste Australiens

Bis er vor 30 Jahren am 19. Oktober 1987 alles verlor. An diesem sogenannten "Black Monday" rauschte der Dow Jones innerhalb eines Tages um 22,6 Prozent in die Tiefe – der größte prozentuale Kursverlust in der Geschichte. An einem einzigen Tag verlor Glasheen 7,25 Millionen US-Dollar. "Ich war am Ende. Ich hatte das in keinster Weise kommen sehen", berichtet er der australischen Nachrichtenseite news.com.au. Und es ging immer weiter bergab. Seine Frau verließ ihn, seine Familie zerbrach, er verlor sein gesamtes Vermögen.

Doch Glasheen war schon immer ein Überlebenskünstler - sei es das finanzielle oder das leibliche Überleben. Ein Mann der Tat. Mitte der 90er Jahre machte ihm ein Freund das Angebot, einen Teil von Restauration Island zu pachten. Glasheen schlug zu, sah sich schon ein Luxus-Resort mit 60 Zimmern erschließen. 1997 zog er mit seiner damaligen Freundin in eine kleine Hütte am Strand.

Doch das Projekt lief nicht gut. "Sie (seine Freundin - Anm. d. Red.) kam nicht damit klar", sagt Glasheen dem "Vice"-Magazin. "Wir hatten ein Baby, aber kein heißes Wasser und keine Waschmaschine", erzählt er der "New York Times". Bald darauf verließ ihn seine Freundin. Aber während die eine Liebe ihm den Rücken kehrte, blühte eine andere auf: die Liebe zu Restauration Island. David Glasheen blieb, ließ die Kleidung weg und den Bart wachsen.

Zwei Jahrzehnte als Aussteiger

"Es ist der großartigste Ort der Welt, ich kenne keinen besseren – und ich bin in meinem Leben eine Menge rumgekommen", sagt der Aussteiger bei "news.com.au". Er richtete einen ehemaligen Außenposten aus dem Zweiten Weltkrieg her, fischt Krabben, erntet Kokosnüsse und Bananen, baut Mais und Tomaten an, braut Bier. Das ist eine Menge Arbeit und füllt seine Tage aus. Sich selbst nennt er den "glücklichsten Kerl der Welt". Sein einziger Begleiter: Der Hund Quasimodo.

Seit zwei Jahrzehnten lebt er nun fernab der Zivilisation, genießt den Frieden, hadert mit der Einsamkeit, kämpft gegen die Elemente. "Man lernt sehr schnell im Busch zu überleben. Denn wenn man es nicht tut, ist man ziemlich schnell tot", sagt er der "Daily Mail". "Ich habe hier eine Menge gelernt, zum Beispiel was wirklich wichtig ist: Vertrauen, Ehrlichkeit, Respekt – einfache Dinge. Und das man mit wenigen Dingen eine Menge erreichen kann."

Ein wenig Luxus muss sein

So ganz ohne die Errungenschaften der modernen Technik lebt Glasheen allerdings nicht. Er hat solarbetriebenes Internet, einen Gefrierschrank und Küchengeräte. Alle paar Wochen fährt er ans Festland, kauft Salz, Pfeffer und Kaffee. Doch die meiste Zeit verbringt er allein auf der Insel.

Sogar auf dem Aktienmarkt ist er von seinem Eiland aus wieder aktiv. "Ich versuche wieder meinen Kopf zu benutzen", sagt er. Er lese viel, habe eine Meinung zu allem – von Nordkorea bis Trump.

Kontaktanzeige gegen die Einsamkeit

Nur die Einsamkeit schlägt ihm zuweilen aufs Gemüt. Gespräche würde er vermissen, erzählt er dem britischen "Telegraph". Ab und an kämen zwar Jachten oder Kajak-Touristen an seiner Insel vorbei, das sei aber auch schon alles. Zwar soll Hollywood-Star Russell Crowe mal in Restoration Island angelegt haben und zum Abendessen geblieben sein. Dennoch: "Es ist einsam hier. Das ist wirklich hart für mich."

Daher habe er bereits über eine Dating-Plattform eine Frau gesucht, mit der er sein Paradies hätte teilen können. Vergeblich, trotz hunderter Zuschriften. Sein "Girl Friday" war nicht dabei, wie er in Anspielung auf Robinson Crusoes Weggefährten Freitag sagt: "Meine einzige Hoffnung ist, dass eine Meerjungfrau an den Strand gespült wird."

Das Paradies ist bedroht

Doch die Ironie des Schicksals ist groß. Inzwischen kämpft Glasheen nicht mehr nur gegen das raue Leben ohne Luxus, sondern auch gegen die Pläne, die ihn einst selbst nach Restoration Island trieben. Investoren wollen die Insel erschließen. Mit Hotels, Ressorts und Luxus. Doch was würde er tun, wenn er die Insel verlassen müsste? "Ich weiß es nicht. Ich lebe jetzt. Morgen bin ich vielleicht schon tot."

Der Name der Insel stammt vom britischen Seeoffizier William Blight, im 18. Jahrhundert Kapitän des berühmten Segelschiffes Bounty. Nachdem Bligh von seiner meuternden Mannschaft ausgesetzt wurde, erreichte er das Eiland und fand Nahrung und seine Lebensgeister wieder. David Glasheen fand auf Restoration Island sogar noch mehr: ein ganz neues Leben.

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