Generationskonflikt Ich verstehe die Jugend nicht mehr und bin erst 22 – werde ich alt?

Sechs Jugendliche posieren für ein Selfie.
Ist man alt, weil man die Jugend von heute nicht mehr versteht? Diese Frage stellt sich unser erst 22 Jahre alter Autor. (Symbolbild)
© gradyreese/Getty Images
"Um Gottes willen, die Jugend von heute." Ein Satz, den ältere Menschen häufiger sagen. Auch unser Autor hatte kürzlich genau diesen Gedanken, als er dem Gespräch von zwei Jugendlichen lauschte. Dabei ist er erst 22 Jahre alt. Wird er langsam alt?

Es war Mittwochabend. Ich stand an der Kasse einer Filiale einer großen Modekette. Hinter mir in der Schlange unterhielten sich zwei Mädchen, lass sie 16 gewesen sein. Normalerweise versuche ich immer zu ignorieren, worüber andere Leute reden, weil es mich nichts angeht. Aber als ich da nun wartete, bis ich endlich mit dem Bezahlen dran war, verging eine gefühlte Ewigkeit. Deshalb wurde ich quasi gezwungen, dem Gespräch der Mädchen zuzuhören – und es war die Hölle.

Die beiden Mädels sprachen darüber, dass bald Ferien und sie zum Glück Singles seien. Das ist ja auch überhaupt nicht verwerflich, nur wie sie kommunizierten, war für mich geistige Folter: "Ey Schatz, Dings. Hier Ferien. Die sind ja zum Glück bald. Voll schade, dass du weg bist. Ich bin dann die einzige Single-Dings." Bislang glaubte ich, dass die nicht vorhandene Rhetorik der "Fack Ju Göthe"-Charaktere nur eine Überzeichnung von nicht sonderlich intelligenten Jugendlichen sei. Aber die beiden redeten wirklich so. Und das Schlimme: Jedes Wort, was ihnen nicht sofort einfiel, wurde durch ein "Dings" ersetzt. "Ja, ich weiß, was du meinst, aber hier Dings. Ich kenn das, wenn du mal nicht da bist, mit den Single-Dings", antwortete die andere. 

Ich holte in Lichtgeschwindigkeit meine Kopfhörer raus und drückte in meiner Musik-Mediathek auf zufällige Wiedergabe. Es war mir in diesem Moment egal, welchen Song ich gleich hören würde. Alles war besser, als diesem Gespräch zu folgen. Denn schon die kurzen Infos fühlten sich wie ein vierstündiger Vortrag über Stochastik an. Ich hatte zum ersten Mal diesen Gedanken, dass ich die Jugend von heute nicht mehr verstehe. Ob ich es nun wollte oder nicht, aber ich war in dem Augenblick wie meine älteren Verwandten.

"Chill mal deine Base, digga. Deine Reaction ist mir zu belastend."

Bereits vor einigen Wochen beschlich mich zum ersten Mal dieses Gefühl, dass ich nicht mehr ganz so jung bin. Mein elfjähriger Cousin sagte mir während einer Diskussion, dass ich mal meine "Base chillen" solle, "digga", weil meine "Reaction" für ihn zu "belastend" sei. Ich nahm's mit einem Lachen, wusste aber auch nicht, wie ich darauf antworten sollte. Ich war schlichtweg mit seiner Sprache überfordert. Dabei würde ich jetzt nicht sagen, dass ich in einer Blase lebe. 

Ganz im Gegenteil, ich bin gerade einmal 22 Jahre alt, gehe fast jedes Wochenende feiern, treffe dabei die unterschiedlichsten Menschen, komme zudem aus einer Gegend, in der sowieso anders gesprochen wird. Da, wo ich aufgewachsen bin, ist es normal, einen Punkt durch ein "Digga" und ein Komma durch ein "Alta" zu ersetzen. Deswegen frage ich mich, wieso mich diese Unterhaltung der zwei so schockiert hat. Dann fiel mir aber etwas auf: Ältere Menschen denken genau das über mich. 

"Um Gottes willen, die Jugend von heute"

In der stern-Redaktion sind fast alle Kollegen mindestens zehn Jahre älter als ich. Meine Sitznachbarin ist sogar so alt, sie hat einen Sohn in meinem Alter. Als ich mich neulich mit einem der jüngeren Kollegen unterhalten habe, sagte sie: "Oh Mann, ich bin alt." Ich weiß gar nicht mehr, um was genau es in unserem Gespräch ging. Nur wurde mir klar, dass sie sich in diesem Moment auch dachte: "Um Gottes willen, die Jugend von heute."

Das heißt also, ich bin nicht alt. Ich werde nur älter und es ist völlig normal, dass ich manchmal die noch jüngeren Leute nicht mehr ganz verstehe – was ehrlich gesagt auch gut so ist. 

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