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Saskia Jungnikl Von einer, die den Tod kennenlernen wollte, um ihre Angst vor ihm zu überwinden

Viele Menschen haben Angst vor dem Tod, so auch Saskia Jungnikl. Um diese Furcht hinter sich zu lassen, will sie alles übers Sterben wissen. Was sie dabei lernt, erlebt und fühlt schreibt sie auf. Das Ergebnis ist ein aus vielen Gründen sehr lesenswertes Buch.

Ich muss zugeben: Ich hatte zuerst ein wenig Scheu davor dieses Buch zu lesen. Nicht, weil ich dachte, es sei nicht gut. Aber ich hatte gerade erst eine Geschichte geschrieben, bei der der Tod ebenfalls im Mittelpunkt stand und hatte das Gefühl, ich bräuchte erst einmal etwas Pause von dem Thema.

Saskia Junknikl - Eine Reise ins Leben oder wie ich lernte, die Angst vor dem Tod zu überwinden
Saskia Junknikl

Eine Reise ins Leben oder wie ich lernte, die Angst vor dem Tod zu überwinden
Fischer
256 Seiten
14,99 Euro
© Fischer

Aber neugierig war ich doch. Also blätterte ich zunächst etwas ziellos herum und las einige Passagen an. An einer Stelle blieb ich hängen. Saskia Jungnikl schreibt dort: “Jeder Mensch trägt etwas mit sich herum”. Das brachte mich zum Nachdenken. Man kann dem Tod nicht einfach aus dem Weg gehen. Auch ich habe im Laufe meines eigentlich noch gar nicht so langen Lebens schon einige Erfahrungen mit ihm machen müssen:

Als ich 18 Jahre alt war, kamen zwei Bekannte von mir bei schweren Verkehrsunfällen ums Leben.

Als ich 21 Jahre war, starb die Mutter meines ältesten Freundes, in der ich immer so etwas wie eine Tante gesehen hatte.

Zwei Jahre später beging ein Mensch aus meinem engsten Freundeskreis Suizid.

Ein ehemaliger Klassenkamerad von mir fiel nach einem plötzlichen Herzstillstand ins Koma und wachte nicht mehr auf.

Jedes dieser harten Erlebnisse hat mich verändert, mich geprägt, meine Sicht auf die Welt beeinflusst. Manchmal blieben Narben zurück. Und die Aufzählung ist längst nicht vollständig. Es gab noch mehr - vorher wie auch nachher. Mal war ich näher dran, mal weiter weg. Mal habe ich mich intensiver, mal vielleicht auch nicht ausreichend damit auseinandergesetzt. Und manches davon trage ich sicher auch noch mit mir herum. Auf jeden Fall fühlte ich mich von der Autorin abgeholt und las das Buch komplett durch. 

Inspriration durch eigene Erlebnisse

Saskia Jungnikl schreibt in dem oben angeführten Kapitel sehr persönlich auch über ihre eigenen Verluste. Sie verlor im Abstand von wenigen Jahren erst ihre Oma, dann ihren Bruder. Wieder ein paar Jahre später nahm sich ihr Vater das Leben. Über dieses tragische Ereignis hat sie vor einigen Jahren bereits das vielbeachtete Buch “Papa hat sich erschossen” geschrieben und dem stern ein Interview gegeben.

Diese Erlebnisse und ihre Folgen brachten die 36-Jährige überhaupt erst darauf, “Eine Reise ins Leben oder wie ich lernte, meine Angst vor dem Tod zu überwinden” zu schreiben. Denn Saskia Junknikl wollte den Tod, der ihr nach dem Erlebten so viel Angst machte, so genau wie möglich kennenlernen - um ihm den Schrecken zu nehmen.
Also hat sie ihn von allen Seiten hell ausgeleuchtet und unter anderem mit Wissenschaftlern, Geistlichen, Ökonomen und Freunden über alle Aspekte des Themas geredet.

Herausgekommen sind 256 Seiten, die keineswegs schwermütig und dunkel sind, wie das Thema vielleicht zunächst vermuten ließe. Sicher ist das Buch phasenweise traurig. Vor allem wenn die Autorin ihr Inneres mit ihren Lesern teilt und über selbst Erlebtes und Gefühltes schreibt. Diese authentischen Passagen gehören aber zu den stärksten im Buch, weil Saskia Jungnikl es vermag,  ihr Innenleben in der richtigen Tonart zu schildern: Sie ist offen, direkt und ehrlich - was viel Mut erfordert - aber dabei nie aufdringlich. Das fühlt sich beim Lesen an wie ein gutes Gespräch unter Freunden und  - so ging es mir zumindest - macht tatsächlich auch den eigenen Ballast etwas leichter.

Wertvolle Erkenntnisse und Hilfestellungen

Am Ende ihrer Reise zieht die Österreicherin nicht das eine große Fazit, sondern liefert schon mittendrin Erkenntnisse, die auch für das eigene Leben wertvoll sein können:

Macht Dinge, statt sie ständig aufzuschieben: Die Autorin steigt mit der kompletten Familie auf einen Berg, weil das seit Jahren der Geburtstagswunsch ihrer Mutter ist. Statt dieses Vorhaben - wie sonst immer - in eine unbestimmte Zukunft zu verlegen, ziehen sie es eines Jahres einfach durch.

Genießt die Zeit: Es ist unnötig, ein schlechtes Gewissen haben, wenn man auch mal Zeit mit Nichtstun verbringt, sie also vermeintlich verschwendet. Unsere Zeit ist ohnehin begrenzt, was ist schändlich daran, sie zwischendurch einfach mal zu genießen?

Pflegt Freundschaften und Beziehungen: Studien zufolge leben Menschen mit guten sozialen Beziehungen nämlich länger, schreibt Jungnikl.

Darüber hinaus erfährt der Leser dann noch etliches, was er sicher noch nicht wusste. Etwa über Biologie (ich selbst hatte zum Beispiel noch nie etwas von Telomeren gehört), darüber, welchen Stellenwert Tod und Trauer in der Gesellschaft haben oder auch wie Ökonomen und Statistiker den Wert eines Menschenlebens berechnen. All das macht “Eine Reise ins Leben oder wie ich lernte, die Angst vor dem Tod zu überwinden”  zu einem abwechslungsreichen, informativen, mitunter auch heiteren, kurz: zu einem sehr menschlichen Buch.

Ob Saskia Jungnikl nach dieser Reise ihre Angst tatsächlich überwunden hat, verrate ich hier nicht. Nicht nur um das erfahren, lohnt es sich, das Buch selbst zu lesen. Ich kann es nur empfehlen.   


Helikopter-Eltern

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