Wir verbringen rund 40 Stunden in der Woche bei der Arbeit. Das ist mehr Zeit, als mit Freunden oder der Familie. Zwischen Meeting und Mittagspause kommt man sich dann schnell mal näher. Fast die Hälfte aller Arbeitnehmer ist schon mit einem Kollegen ausgegangen, 45 Prozent hatte eine Beziehung mit einem Kollegen oder einer Kollegin aus dem eigenen Team. Das sind die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage bei 1000 Arbeitnehmern, die das Meinungsforschungsinstitut OnePoll für Viking durchgeführt hat. NEON hat mit Menschen gesprochen, die nicht nur Kollegen, sondern auch ein Paar sind.
Tom* und Jana* haben sich im Büro eines großen Konzerns kennengelernt und für ihre Beziehung ihre Ex-Partner verlassen. Das Protokoll einer Liebe am Arbeitsplatz:
"Es war alles ziemlich kompliziert. Wir waren beide in längeren Beziehungen, Jana war sogar verheiratet und hatte drei Kinder. Sie ist sieben Jahre älter als ich. Rückblickend waren wir wohl unglücklich mit unseren damaligen Partnern, konnten uns aber nicht lossagen. Jana arbeitete schon länger bei unserem jetzigen Arbeitgeber, ich kam damals neu hinzu. In den Besprechungen fiel sie mir sofort auf: Wie konnte jemand so auf seiner Meinung beharren? Sie wusste immer, wie man ein Thema am besten umsetzt – und meistens lag sie damit richtig.

"Sie sah mich wohl vor allem als netten Kollegen"
Wir unterhielten uns öfter über die Arbeit und den Alltag, fanden uns sympathisch. Es gab viele und lange SMS und Chats im Messenger. Aber sie sah mich wohl vor allem als netten Kollegen. Irgendwann habe ich sie ganz klassisch ins Kino eingeladen. Damals war sie total überrascht von meiner offensiven Frage und wusste nicht so Recht, was sie davon halten sollte, wie sie mir später erzählt hat. Doch wir beide merkten schnell, dass die Chemie zwischen uns stimmte. Kinobesuche, Feierabendbier, gemeinsame DVD-Abende – wir verbrachten immer mehr Zeit miteinander und wollten die Sache schließlich ernst machen. Aber wir waren beide in einer festen Beziehung.
"Es war ein Emotions-Vulkan"
Meine Ex-Freundin fiel aus allen Wolken als ich ihr sagte, dass es vorbei ist. Es gab unglaublich viel Streit zwischen uns, sie hat das Ganze überhaupt nicht kommen sehen und fühlte sich hintergangen. Es wurden viele unschöne Dinge gesagt. Dass meine Eltern sie unglaublich gern mochten, hat noch zu zusätzlichen Komplikationen geführt. Zeitweilige haben wir sogar nochmal versucht, unsere Beziehung wiederzubeleben, was natürlich nicht geklappt hat. Alles ein ziemlicher Emotions-Vulkan. Rückblickend habe ich ein schlechtes Gewissen, ich hätte einfach ehrlicher sein müssen, die Beziehung früher beenden. Janas Mann nahm die Trennung entspannter, fast emotionslos auf. Ihre Ehe war gescheitert. Wenn er heute die Kinder bei uns abholt, ist es aber trotzdem ein komisches Gefühl – viel zu sagen haben wir uns nicht.
"Das Getratsche war schon unangenehm"
Bis heute haben wir unsere Beziehung auch nie so richtig öffentlich gemacht. Wir erzählten ganz engen Freunden und Kollegen davon, kurz nachdem die Sache mit unseren Partnern geklärt war, das war so nach einem halben Jahr. Außerdem weihten wir unsere Chefin ein. Trotzdem wurde in der Zeit vorher viel getratscht und wir hatten schon das Gefühl, dass immer mal jemand etwas erzählt hat. Gerade dadurch, dass wir vorher noch andere Partner hatten, war das echt unangenehm. Mittlerweile wissen die meisten, dass wir zusammen sind – und das jetzt seit knapp drei Jahren. Seit Kurzem wohnen wir auch zusammen. Für mich eine neue Erfahrung, gerade mit Janas Kindern, aber es läuft besser als erwartet.
Eine nette Story unter vielen
Da wir in unterschiedlichen Abteilungen tätig sind, fällt es uns auch leicht, Privates und Berufliches zu trennen: Auf der Arbeit gibt es keine Küsse und auch kein Händchen halten. Mir würde es glaube ich schwer fallen, näher mit ihr zusammenzuarbeiten. Wahrscheinlich würden wir uns in jeder Konferenz über die Themen des Tages streiten, weil sie eben immer auf ihrer Meinung beharrt. Andererseits ist es toll, im gleichen Job und Umfeld zu arbeiten. Sich abends über die Themen des Tages oder Ärger im Büro auszutauschen ist leichter, wenn der andere weiß, wovon er spricht.
Rückblickend war die ganze Situation nicht so einfach, vorher hatte ich so eine Beziehung privat noch nicht erlebt. Auch viele gute Freunde waren sehr skeptisch und haben mich für ziemlich verrückt gehalten. Nur mein bester Kumpel, der mal etwas Ähnliches erlebt hat, stand hinter mir. Heute wird auf der Arbeit kaum noch getratscht, es gibt ja immer neue Storys – und davon sind wir noch die netteste."
* Namen geändert