"I'm Gay". Ich bin schwul. Das ist der Titel eines neuen Videos der Try Guys. Der Youtube-Kanal mit mehr als sechs Millionen Abonnenten gehört vier Amerikanern, die meist auf witzige Art Dinge einfach ausprobieren – ein typischer Comedy-Kanal. Eigentlich. Denn dieses Video sticht nicht nur mit seinem kurzen und prägnanten Titel heraus, es ist auch die Arbeit eines einzelnen Mitglieds der Try Guys: Eugene Lee Yang. Er ist der Attraktive, der Sportliche, der Abgebrühte der vier Jungs. Ging es um Wettkämpfe in den Videos, hatte meist Eugene die Nase vorn. Doch das war nicht sein wahres Ich, einen großen Aspekt seines Lebens hielt der 33-Jährige lange vor der Öffentlichkeit versteckt. Eugene ist homosexuell, wie er mit dem Video Millionen von Fans mitteilt.
Zwar hat er sich in dem ein oder anderen vorherigen Video als Teil der LGBTQ+-Community bezeichnet, doch jetzt sollen es alle wissen und nicht einfach nur mit einem Tweet oder Post – Eugene plante das wohl teuerste Coming-out-Video EVER: Ein Jahr lang hat er an dem Kurzfilm/Musikvideo/Tanzvideo gearbeitet. Er produzierte, choreografierte, und spielte selbst – ein Mordsprojekt.
"Ich habe dieses Musikvideo kreiert, als meine persönliche Art, mich als stolzer schwuler Mann zu outen, der viele Geschichten zu erzählen hat. Ich habe mich aus Angst und Scham, die von meinem Umfeld und meiner Herkunft geprägt worden sind, versteckt, aber ich verspreche, mein ganzes Ich in alle zukünftigen Arbeiten zu stecken", schreibt Eugene in einem Tweet.
Woher diese Scham und Angst kommen, sieht man in dem aufwendigen Video: Es beginnt mit Eugene, der von seiner Familie umgeben ist. Er will mit den Frauen in seiner Familie spielen, auch Lippenstift tragen, mit ihnen tanzen. Doch schnell wird er von den Männern dafür abgestraft und lernt so, sein wahres Ich zu verstecken. Jeder Moment, jede Kameraeinstellung ist bis ins kleinste Detail durchdacht und voller Bedeutung. "Ich bin in einer Kultur aufgewachsen, in der es nicht nur für Männer wichtig war, kalt, hart und gewalttätig zu sein ", erzählt Eugene in der zum Video gehörigen Dokumentation.

Die nächste Szene spielt in einem Setting, das eine Kirche repräsentiert. Eugene ist in Texas in einer sehr christlichen Gemeinde aufgewachsen, in der es schlimm war, anders zu sein. Er sah, wie andere behandelt wurden, die nicht der Norm entsprachen, und versuchte, dies mit allen Mitteln für sich zu verhindern. "Ich war zu dieser Zeit sowieso die ganze Zeit deprimiert, hätte mir dann noch jemand den Stempel verpasst, anders, falsch, irgendwie kaputt zu sein, das hätte mich komplett aus der Bahn geworfen", erzählt er.
Von der Kirche geht es zur ersten Liebe. Eugene tanzt mit einem Mann und einer Frau und entscheidet sich für den Mann. Dann finden wir uns in einem Club wieder. Die Szene repräsentiert die Community, in der sich Eugene in L.A. wiederfand.

Alle sind frei und offen, haben Spaß. Zumindest, bis ein Mann mit einer Waffe in den Raum kommt. Dies ist eine Anspielung auf den Anschlag auf einen Gay Club in Orlando 2016, bei dem 49 Menschen getötet worden sind.
Die Gewalt zieht sich bis in die nächste Szene: Eugene wird von anonymen Menschen in Weiß verprügelt. Seine Familie kommt ihm zu Hilfe, ist allerdings zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um ihm wirklich zu helfen.
Die letzte Szene des Videos zeigt Eugene, wie er in einer wundervollen lila Robe vor einer streitenden Masse steht. Er läuft auf die Kamera zu und man fühlt, dass er eine Entscheidung getroffen hat: Ich stehe zu mir, I'm gay. Im Abspann seines Films sieht man den Youtuber mit seiner "Chosen Family", seiner selbst gewählten Familie.
Der Kurzfilm soll stellvertretend für die Erfahrungen aller stehen, die wie er mit sich selbst gehadert haben und keinen einfachen Weg hatten. "Es bedeutet nicht, dass ich eine komplett andere Person nach diesem Video bin, sondern dass ich nicht mehr mit dem Rotstift durch mein Leben gehen muss, keine Seiten mehr ausreißen muss", sagt Eugene in der Doku. Er hoffe, so steht es am Ende des Videos, dass das Video ihn dazu ermutigt, sich den Menschen, die er liebt, zu öffnen, und dass er, irgendwann, so etwas wie Glück findet.
Schon in der Vergangenheit hat Eugene für "Buzzfeed" viele Videos mit LGBTQ+-Inhalt produziert, jedoch immer nur hinter den Kulissen. Für Amerikaner mit asiatischer Herkunft gäbe es nicht viele Repräsentanten in der LGBTQ+-Community. Er musste sich oft der Kritik asiatischer Fans stellen, er dürfe sich nicht "unperfekt" zeigen, erzählt er: "Ich musste immer der Beste sein. Ich konnte nicht der Asiate sein, der scheitert". Sich öffentlich outen kam lange nicht für ihn infrage.
Mit dem Video rufen Eugene und die Try Guys zusätzlich zu einer Spendenaktion für das "Trevor Projekt" auf, die weltweit größte Organisation für Suizidprävention für LGBTQ+-Menschen. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels waren schon mehr als 90.000 Dollar zusammengekommen.

Quelle:Youtube