Melania Geymonats Blick ist starr. Sie wirkt wie in Trance, wie sie auf ihrem Platz eines Nachtbusses in London sitzt. Als sei sie nur noch körperlich anwesend. Ihr Körper ist völlig blutüberströmt. Der Mund leicht geöffnet. Ihre dunklen Haare sind durcheinander. Mit ihrer linken Hand umfasst sie ihr rechtes Handgelenk. Neben ihr sitzt ihre Partnerin Chris. Sie weint, schaut sichtlich unter Schock stehend auf ihre Hände und ist ebenfalls völlig blutüberströmt.
Anfang Juni erschütterte dieses Bild tausende Menschen auf Facebook. Es war der Beleg dafür, dass homosexuelle Paare noch immer Anfeindung und Gewalt erleben – selbst in einer so vermeintlich weltoffenen Stadt wie London. Denn genau dort wurde das lesbische Paar von einer Gruppe Männern übel verprügelt. Der Grund dafür war, dass sich die beiden weigerten, sich vor der Gruppe zu küssen.
Schwules Paar in Zürich angegriffen
Dass Micha Finkelstein, 29, das Gleiche passieren könnte, hätte er bis zum vergangenen Samstag nicht für möglich gehalten, erzählt er NEON. Der gebürtige Israeli ist schwul und lebt seit sieben Jahren in Zürich. Sein Studium habe ihn in die Schweiz geführt. Wegen seines Mannes Nick Hintermann lebt er noch immer dort. Die beiden sind seit mittlerweile sechs Jahren ein Paar – und wohnen im Stadtkreis 3. Das sei das "Hipster Viertel" von Zürich, sagt Micha. Viele Singles, Paare und Familien. "Es gab nie einen Grund, Angst zu haben, händchenhaltend mit meinem Mann hier durch die Gegend zu laufen", sagt er.
Doch genau das sei ihnen am vergangenen Wochenende zum Verhängnis geworden. "Es war in der Nacht nach der Gay Pride in Zürich. Wir hatten eine Freundin abgeholt und wollten gemeinsam zu uns nach Hause. Kurz bevor wir ankamen, riefen Unbekannte von hinten uns plötzlich zu: 'Schwuchteln! Seid ihr schwul?'", sagt Micha. Sie hätten das zunächst ignoriert, seien weitergegangen. Allerdings habe die Gruppe nicht aufgehört. "Sie haben uns verfolgt und dann sogar von hinten geschlagen", so Finkelstein. Sein Mann sei deshalb sogar kurz zu Boden gegangen. Doch irgendwie hätten sie es geschafft, sich zu wehren – und die Täter seien weggelaufen. "Anschließend haben wir sofort die Polizei angerufen. Die sind sehr schnell gekommen – und waren auch sehr unterstützend."
"Wieso kann so etwas noch immer passieren?"
Die Pressestelle der Züricher Polizei bestätigte NEON telefonisch den Einsatz, wollte aber keine weiteren Details zum Vorfall geben. Indes haben Micha Finkelstein und sein Mann Nick nun Anzeige erstattet. Der 29-Jährige habe noch immer leichte Schmerzen am Kiefer, wie er NEON verriet. Es sei aber alles halb so wild. "Mich macht etwas anderes viel wütender. Wieso kann so etwas im Jahr 2019 überhaupt noch passieren?"
Quelle: Polizei Zürich / Micha Finkelstein