"Es war ein bisschen wie eine Mischung aus Zeltlager und professionellem Team-Event", sagt Max. Der 28-Jährige war am vergangenen Wochenende zwei Tage auf dem Sommerkongress der "Fridays for Future"-Bewegung. Geschlafen wurde in Zeltlagern und es gab veganes Essen aus Lebensmittel-Spenden. Klingt so, wie sich die meisten Außenstehenden ein großes Treffen der jungen Klimabewegung klischeemäßig wohl vorgestellt hätten, nicht zuletzt nach den vielen kritischen Medienberichten über die Aktivisten in den vergangenen Wochen.
Diskussionen statt Lagerfeuerromantik
Doch hinter der fünftägigen Veranstaltung im Dortmunder Revierpark steckt mehr. Das belegt das Programm mit über 200 Workshops, die von "Pressemitteilungen schreiben" und "Gruppenorganisation" bis hin zur Kampagnenarbeit rund um "Klimakiller Fleisch" reichen. Und das belegt auch der Auftritt von Christoph M. Schmidt, Vorsitzender des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, besser bekannt als die "Wirtschaftsweisen".
Der Ökonom, den man wohl als konservative Stimme in der Klimadebatte bezeichnen kann, diskutierte mit den Teilnehmenden über seine Einstellung zur Besteuerung von CO2-Emissionen und sorgte für ordentlich Gesprächsstoff. "Es war gut, dass jemand auf dem Kongress war, der eine andere Sicht auf die Dinge hat und ein bisschen Widerspruch in die Diskussion bringt", sagt Teilnehmer Max. Schließlich sei Austausch und Reflexion genau das Ziel einer generationenübergreifenden Debatte. Max ist zwar kein FfF-Aktivist, aber er arbeitet für die Generationen Stiftung. Die überparteiliche Interessenvertretung will nachfolgenden Generationen eine Stimme geben – und steht daher auch im Kontakt mit "Fridays for Future".

Öko-Dixi-Klo und vegane Verpflegung
Für Max ist klar, dass der Kongress dazu beitragen soll, der Bewegung Glaubwürdigkeit zu verleihen. "Man hat deutlich gemerkt, dass es den Teilnehmern nicht nur darum geht, für sich Aufmerksamkeit zu erzeugen, sondern dass sie ernstgenommen werden wollen." Dieses Ziel hat sich in der Organisation des ganzen Kongresses widergespiegelt. "Ich habe die Organisation als extrem professionell wahrgenommen", sagt er. Einzig bei der Essensausgabe für die rund 1700 Teilnehmer habe es ein wenig gehakelt, da es nur ein Zelt für die Versorgung gab. Wochenlang hatten die Organisatoren nach eigenen Angaben zusammengesessen und sich auch Hilfe von außen geholt. So kam das Essen aus Spenden und es gab ökologische Toiletten statt Festival-Dixi-Klos. "Man hat schon gemerkt, dass sie niemandem eine Angriffsfläche bieten wollen", sagt Max.
Die Organisatoren zeigten sich am Ende der Veranstaltung optimistisch: "Wir haben aus meiner Sicht alle Ziele erreicht", sagte der 18-jährige Mitorganisator Jakob Blasel. Größtes Ziel sei gewesen, motivierte Menschen zu haben, "die hier rausgehen und bereit sind für weitere Klimastreiks, die bereit sind, weiterhin Politik in Deutschland zu bewegen". Ähnlich sieht es auch Organisatorin Clara Reemtsma: "Wir haben ganz viel gute Erfahrungen ausgetauscht und uns sehr, sehr gut vernetzt. Wir gehen jetzt mit noch mehr Energie in den Herbst zum großen globalen Klimastreik."

Interne Querelen bei "Fridays for Future"
Denn am 20. September ruft die Bewegung zum Generalstreik auf: An diesem Tag will die Bundesregierung ein Paket mit konkreten Klimaschutzmaßnahmen beschließen. Auch daher wollte man sich vorher noch einmal zusammenfinden, Energien bündeln. Denn "Fridays for Future" ist längst keine kleine Gruppe von Schüler-Demonstranten mehr. Der Kongress beweist, dass die Gruppe zu einer professionellen Bewegung geworden ist; nach eigenen Angaben gibt es inzwischen 500 Ortsgruppen. Doch ihre Entwicklung passt nicht allen: Zwei Monate vor Beginn des Sommerkongresses wurde ein anonymer Brief online gestellt, der unter anderem Kritik am "Personenkult" rund um Luisa Neubauer und Jakob Basel übt, die häufig Gäste in Talkshows sind und immer wieder als Sprecher der Bewegung auftreten. Weitere Kritikpunkte, die im Brief genannt werden, sind unter anderem "Intransparenz" wenn es um Inhalte aber auch Finanzfragen geht und fehlender Konsens.
Max selbst hat von diesen Konflikten nichts mitbekommen. "Vor den Workshops und bei den Ansprachen wurde immer wieder der Gemeinschaftscharakter betont", berichtet er. Auch die meisten anderen Aktivisten und Aktivistinnen gehen mit einem positiven Gefühl nach Hause. "Man kann megaviel mitnehmen an Inspiration und Motivation für die Arbeit zu Hause", sagt die 18-jährige Sophia Kutsch, die im westfälischen Borken "Fridays for-Future"-Demos organisiert. Wieder daheim, wolle sie mit anderen Aktivisten überlegen, wie verstärkt auch Erwachsene angesprochen werden können. Denn die fanden sich im Camp nur selten: einige von "Scientists for Future", einer Gruppe von Wissenschaftlern, und ein paar "Parents for Future", die minderjährige Teilnehmer begleiteten.