Husamettin D. hatte nach dem aufsehenerregenden Vergewaltigungsprozess von Avignon als einziger der 51 Verurteilten auf einem Berufungsverfahren bestanden.
"Im Jahr 2025 kann man nicht mehr behaupten, sie sei einverstanden gewesen, weil sie nichts gesagt habe", sagte der Staatsanwalt weiter. Dies seien Ansichten eines früheren Zeitalters. Dass der angeklagte Husamettin D. den Vorwurf der Vergewaltigung beharrlich bestritten habe, sei "zum Verzweifeln".
"So lange Sie das nicht zugeben, geht es nicht nur um den Fall einer Frau, sondern um ein abscheuliches gesellschaftliches System", sagte Sié. Dieses gründe auf der falschen Ansicht: "Wenn der Mann einverstanden ist, hat die Frau nichts mehr zu sagen", erklärte er.
Am Vortag hatte Gisèle Pelicot den Angeklagten scharf zurechtgewiesen. "Zu welchem Zeitpunkt habe ich Ihnen meine Zustimmung gegeben? Niemals!", hielt sie dem 44-Jährigen entgegen, der sich selbst als Manipulationsopfer dargestellt hatte. "Stehen Sie zu Ihren Taten und hören Sie auf, sich hinter Ihrer Feigheit zu verstecken", forderte die 72-Jährige.
Pelicot wehrte sich zudem dagegen, als "Ikone" bezeichnet zu werden. "Hören Sie auf, mich Ikone zu nennen. Ich bin eine ganz normale Frau, die sich gegen einen Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgesprochen hat", erklärte sie.
"Opfer sollen sich niemals für etwas schämen, das ihnen mit Gewalt aufgezwungen wurde", sagte sie. "Wenn ich anderen Kraft gegeben habe, dann ist das schon etwas Gutes", fügte sie hinzu.
Zuvor waren im Gerichtssaal 14 Videos gezeigt worden, auf denen zu sehen war, wie der Angeklagte Gisèle Pelicot mehrfach sexuell missbrauchte, während diese komplett reglos war und zeitweise laut hörbar schnarchte. Der Vorsitzende Richter hatte das Publikum zuvor gewarnt und sensible Menschen gebeten, den Saal zu verlassen.
"Sieht es so aus, wenn eine Frau Lust empfindet?", hatte der Richter anschließend den Angeklagten gefragt. Dieser räumte ein, dass er sich am Ende geschämt habe, blieb aber bei seiner Aussage, dass er Gisèle Pelicot nicht habe vergewaltigen wollen und er von ihrem Mann Dominique Pelicot beeinflusst worden sei.
Dieser war im Dezember zur Höchststrafe von 20 Jahren Haft verurteilt worden, weil er seine Frau über Jahre hinweg immer wieder mit Medikamenten betäubt und gemeinsam mit Internet-Bekanntschaften vergewaltigt hat.
Mit einem Urteil in dem Berufungsverfahren wird am Nachmittag gerechnet. Wegen ihres Aufrufs, dass die Scham die Seiten wechseln müsse, Jahr war Gisèle Pelicot weltweit bekannt geworden. Im Februar sollen ihre Memoiren in 20 Sprachen gleichzeitig erscheinen.