Einsturz zweier Wohnhäuser in Marseille mit acht Toten: Haftstrafen für Angeklagte

Eingstürzte Wohnhäuser in Marseille
Eingstürzte Wohnhäuser in Marseille
© AFP
Als der kleine El Amine aus der Schule nach Hause kam, war sein Haus eingestürzt und seine Mutter unter den Trümmern begraben: Sechseinhalb Jahre nach dem spektakulären Einsturz zweier baufälliger Häuser in Madrid hat ein Gericht in der südfranzösischen Hafenstadt am Montag mehrere Verantwortliche zu Haftstrafen verurteilt. Neben der Mutter von El Amine verloren sieben Menschen bei dem Einsturz ihr Leben.

Drei Miteigentümer wurden zu Haftstrafen von drei bis vier Jahren verurteilt, teils auf Bewährung, teils in Form einer elektronischen Fußfessel. Einem der Miteigentümer warf der Richter mit Blick auf die überfälligen Renovierungsarbeiten eine "Blockadestrategie" und eine "erschreckende Gleichgültigkeit" vor.

Der Architekt, der die betroffenen Häuser drei Wochen vor dem Einsturz noch begutachtet hatte, wurde wegen grober Fahrlässigkeit zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Er hatte bei seiner Begutachtung nicht einmal den Keller besucht und gravierende Mängel übersehen. Auf Grund seines Gutachtens hatten die Bewohner nach einer früheren Warnung wieder in ihre Wohnungen zurückkehren dürfen.

Ein ehemaliger konservativer Kommunalpolitiker wurde ebenfalls zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. "Sie haben sich in keiner Weise dafür eingesetzt, baufällige Gebäude vor dem Einsturz zu bewahren", erklärte der Richter. Im Prozess hatten die Angeklagten ihre Unschuld beteuert.

Vor dem Gerichtsgebäude demonstrierten am Montag mehrere Angehörige der Opfer. "So ein Drama darf sich nie wiederholen", sagte Anissa von einer Vereinigung von Bewohnern baufälliger Häuser. Sie verwies darauf, dass es monatlich bis zu 200 Hinweise auf renovierungsbedürftige Häuser in Marseille gebe. 

Das Drama im November 2028 hatte in Frankreich eine Schockwelle ausgelöst und eine Debatte über die dramatische Wohnraumknappheit in Marseille angestoßen. Das Unglück hatte zudem ein Schlaglicht auf den schlechten Bauzustand vieler Wohnhäuser in Marseille und anderswo geworfen. Die Bewohner der betroffenen Häuser hatten zuvor mehrfach verdächtige Geräusche und Risse gemeldet und vergeblich die nötigen Renovierungen gefordert.

Einer der Überlebenden hatte kurz vor dem Einsturz noch ein Video gedreht, das die Risse in den Wänden zeigt, die sich innerhalb weniger Stunden dramatisch vertieft hatten. Im Hintergrund ist zu hören, wie jemand heftig an eine Tür schlägt - vermutlich sein Nachbar, der kurz zuvor seine Mutter angerufen hatte, weil seine Tür blockiert war. Er überlebte den Einsturz nicht. 

Die beiden Häuser stürzten innerhalb weniger Sekunden ein. "Das Drama ist der tragische Höhepunkt einer ganzen Reihe von Missständen", hieß es in der Anklageschrift. Der damals seit mehr als zwei Jahrzehnten regierende konservative Bürgermeister Jean-Claude Gaudin hatte zunächst den starken Regen an den Tagen zuvor als einen der Gründe für den Einsturz genannt. 

Nach dem Einsturz wurden mehr als 300 Menschen aus baufälligen Wohnhäusern in Marseille evakuiert. Im März war der Besitzer eines Studierendenwohnheims verurteilt worden, weil seine Zimmer nicht den Standards entsprachen. 

AFP