In den jüngsten Umfragen kam die regierende Mitte-Rechts-Partei auf rund 15 Prozent. Insgesamt könnten demnach sechs oder sieben Parteien ins Parlament einziehen, darunter mit der "Morgenröte von Nemunas" auch erstmals eine populistische Partei, deren Vorsitzender wegen mutmaßlich antisemitischer Kommentare vor Gericht steht.
"Die Zeit der Konservativen ist vorbei", sagte die Vorsitzende der Sozialdemokraten und ehemalige Ministerin für soziale Sicherheit und Arbeit, Vilija Blinkeviciute, vor Reportern. Im Wahlkampf hatte ihre Partei die Besteuerung von Luxusgütern und die Bereitstellung zusätzlicher Mittel für soziale Dienste in Aussicht gestellt. Zudem wollen die Sozialdemokraten eine niedrigere Mehrwertsteuer auf Lebensmittel einführen, die Steuern für Familien mit Kindern senken und die Renten erhöhen.
"Alles ist so teuer geworden", sagte eine 65-jährige Rentnerin der Nachrichtenagentur AFP. Mit ihren derzeitigen Bezügen käme sie nicht mehr über die Runden. Die 34-jährige Anwältin Monika sagte hingegen, sie stehe hinter der Regierung und stimme für den Status quo. "In den vergangenen Jahren hat sich Litauen trotz der Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Krieg entwickelt."
Litauens Präsident Gitanas Nauseda, der im Mai mit Unterstützung der Sozialdemokraten für eine zweite Amtszeit wiedergewählt worden war, gilt als Befürworter eines Regierungswechsels. "Ich habe dafür gestimmt, dass die Behörden zusammen und nicht gegeneinander arbeiten, um die Probleme des litauischen Volkes zu lösen", sagte er am Sonntag nach seiner Stimmabgabe - jedoch ohne eine Parteipräferenz zu nennen.
Während ein Regierungswechsel innenpolitisch Veränderungen mit sich bringen würde, stimmen die Parteien in Fragen der Außenpolitik weitgehend überein. Das baltische Land mit seinen 2,8 Millionen Einwohnern, das in unmittelbarer Nachbarschaft zu Russland liegt, fürchtet, ein weiteres Ziel zu werden, sollte Moskau mit seinem Krieg in der Ukraine Erfolg haben. Daher haben sich alle Parteien für eine weitere starke Unterstützung der Ukraine und eine Beibehaltung oder sogar Erhöhung der Verteidigungsausgaben ausgesprochen. Diese liegen derzeit bei drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Laut dem politischen Analysten Linas Kontrimas sind trotz des möglichen Regierungswechsels keine größeren außenpolitischen Veränderungen zu erwarten. "Es gibt keine wirkliche Alternative zu dem, was Litauen vor 20 Jahren gewählt hat", sagte er mit Blick auf den Beitritt des Landes zu EU und Nato.