Es ist ein Maitag im Jahr 2004, es ist morgens und der Kunde wartet. Verdammte Baustelle, die Ampel zeigt rot, Fuß auf die Bremse und warten. Die Zeit rast, die Autos stehen und die Ampel zeigt immer noch rot. Blick auf die Uhr, Blick auf die Ampel: Rot. Das muss der Moment gewesen sein, in dem bei einem Unternehmer aus Rheinland-Pfalz alle Sicherungen durchgebrannt sind. Der 54-Jährige nimmt sich ein Werkzeug, steigt aus, schneidet das Stromkabel der Ampel durch. Basta!
Die Polizeibeamten, die den Schaden wenig später aufnehmen, schütteln die Köpfe und schreiben eine Anzeige wegen "gemeinschädlicher Sachbeschädigung". 4960 Euro Strafe muss der Unternehmer zahlen, als ihn das Amtsgericht schließlich wegen seines Kurzschlusses verurteilt. Nach der Verhandlung klappen die Richter die Aktendeckel zu und denken, damit hätte es sich erledigt. Doch ein Mann, der rot sieht, lässt sich nicht so einfach stoppen.
Sie dachten, es ist ein Witz
2005 erklärt er gegenüber dem Finanzamt, er habe da einen Betrag von 4960 Euro. Den mögen die Beamten ihm doch bitte als Betriebsausgaben anerkennen und von seiner Steuerlast abziehen. Schließlich habe er die Ampel ja nur deshalb außer Betrieb gesetzt, weil er dringend zu einem Kunden musste. Aus Notwehr sozusagen. Die Finanzamtler halten das zunächst für einen Witz, schauen dann - man kann ja nie wissen - in ihre Richtliniensammlung und lehnen schließlich ab.
Ein bizarrer Fall, wie ihn auch die Richter am rheinland-pfälzischen Finanzgericht noch nicht erlebt haben. Am Mittwoch teilten sie mit, dass "ein gezahlter Schadensersatz steuerlich nicht berücksichtigungsfähig" ist. "Als allgemeiner Teilnehmer im Straßenverkehr teilt der Mann das Schicksal anderer Berufspendler", sagt Ullrich Lindner, Vorsitzender Richter am Finanzgericht. "Der tägliche Stau gehört dazu, wie das Rot an der Ampel." Und überhaupt: Im Falle einer Funktionsstörung hätte der Mann "unter Beachtung äußerster Vorsicht die Lichtzeichenanlage auch bei rot passieren können, um so zu seinem Betrieb zu kommen". Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig. Es ist Oktober, es ist morgens und die Ampel zeigt rot…