Raketen-Luftangriff

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Angst vor Russland? stern-Redakteur spricht mit Bewohnern über die Lage auf der dänischen Urlaubsinsel Bornholm

Beliebte Urlaubsinsel Angst vor Putin? stern-Redakteur über die Lage auf der ehemals sowjetisch besetzten Insel Bornholm

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Die dänische Insel Bornholm ist geopolitisch wie strategisch interessant für West und für Ost. Ungefähr 300 entfernt liegt Kaliningrad, da sind auch russischen Raketen stationiert.  
Stern-Reporter Rune Weichert berichtet von der beliebten Urlaubsinsel Bornholm, mitten in der Ostsee und in Reichweite der russischen Flotte. Im Gespräch mit Bewohnern und dänischen Urlaubern fragt er, ob sie Angst vor einem russischen Angriff haben.  
Benny, Bewohner Bornholms: "Ich glaube nicht, dass sie sich das trauen. Ich glaube, sie wissen, dass ein großer Angriff auf die Nato für sie schiefgehen könnte."  
Gitte, Touristin aus Dänemark:  "Ich vertraue Russland überhaupt nicht oder Putin." Zur Frage, ob Russland Bornholm angreifen könnte):  "Nein, das glaube ich nicht. Vielleicht ist das naiv zu denken, aber das glaube ich nicht."  
Bornholm ist geopolitisch und strategisch interessant, weil sie inmitten in der Ostsee liegt, genau zwischen Schweden und Polen. Wer also die Kontrolle über die Insel hat, der kann auch die ganze Ostsee kontrollieren.  
 Sophie:  "Nun hat es ja eine große Erweiterung der Nato gegeben. Ich denke, das wird eine große Stärkung unserer Verteidigungszusammenarbeit. Ich bin also überhaupt nicht nervös, im Gegenteil, ich bin optimistisch, was das angeht."  
 Linna & Malu: "Ich glaube, ich habe nicht so sehr Angst vor Russland. Aber ich denke auch, wenn wir angegriffen werden, dann steht die Nato uns ja bei. Ich glaube also nicht, dass sie das tun werden."  – "Aber man denkt ja nach wie vor daran." 
Die Stimmung ist in zwei Lager eingeteilt. Die einen sagen nein, Russland würde ein Nato-Land wie Dänemark und damit auch Bornholm nicht angreifen. Mehr noch: Mit der Nato-Erweiterung Schweden + Finnland wird man sogar noch stärker im Ostseeraum sein. Andere sind deutlich nervöser und sagen: Russland ist unberechenbar. 
Ukraine-Russland-Krieg: Ein ukrainischer Soldat raucht eine Zigarette

Krieg mit Russland "Je hartnäckiger der Widerstand, desto brutaler der Krieg": stern-Militärexperte zur Eskalation in der Ukraine

Sehen Sie im Video: "Je hartnäckiger der Widerstand, desto brutaler der Krieg" – stern-Militärexperte zur Eskalation in der Ukraine.
















Gernot Kramper: Die werden es Kiew ermöglichen, einen langanhaltenden Widerstand im urbanen Raum zu organisieren. Das heißt aber auch, der Krieg wird länger und blutiger.


Militärkonvois, die diese extreme Länge erreichen, das kommt in jedem Krieg vor. Das ist hier überhaupt gar keine Besonderheit.


Die können nicht aufgeben, also werden sie immer weiter eskalieren. Und man muss sagen: Je erfolgreicher und hartnäckiger der Widerstand, umso brutaler werden die Mittel, um ihn zu brechen.


Hendrik Holdmann: Putin hat gerade erklärt, dass in der Ukraine alles nach Plan laufe. Wie sieht es militärisch gesehen aktuell wirklich aus?


Gernot Kramper: Also alles nach Plan läuft ganz sicher nicht so. Der Versuch, Kiew im Handstreich zu nehmen mit eingeflogenen Truppen ist ganz sicher gescheitert. Das kann man einfach so feststellen. Da gibt es gar keinen Zweifel daran. Dann sehen wir ja auch die Verluste und die technischen Ausfälle der russischen Truppen. Das war sicherlich auch nicht so geplant. Ich würde auch annehmen, dass der Kreml den Widerstandswillen unterschätzt hat. Den Widerstandswillen der gesamten ukrainischen Armee – und nicht einiger Elitetruppen. Damit hat man sicherlich auf jeden Fall gerechnet und auch nicht damit, dass die Zivilbevölkerung so geschlossen hinter ihrer Ukraine steht. Das hat man sicherlich so nicht angenommen. Aber was heißt das "nicht nach Plan"? Das heißt ja auch nur, dass für den Kreml vielleicht Plan A gescheitert ist. Und dann gehen Sie jetzt aber in Plan B über. Und Plan A war schnell und unblutig um Plan B bedeutet langsam und sehr blutig. Insofern kann man sich da nicht nur drüber freuen. Das ist eine sehr zweischneidige Entwicklung.


Hendrik Holdmann: Viel ist über Putins Strategie spekuliert worden. Die meisten Beobachter sind der Meinung, dass Russlands Plan nicht aufgegangen ist. Du hast es auch gerade gesagt. Hat Putin sich da verrannt oder ist eigentlich alles unter Kontrolle?


Gernot Kramper: Wir können natürlich nur hoffen, dass Putin sich insgesamt verrannt hat. Wir können nur hoffen, dass der Angriff auf die Ukraine das Ende der Ära dieses Mannes ist, also dass die Sanktionen Russland in die Knie zwingen werden, dass das zu einer Umkehr kommt, dass Putin letzten Endes abgesetzt wird. Bloß man muss sagen, für die Ukraine selber nutzt das überhaupt nichts. Weil die Ukraine wird militärisch nicht bestehen können. Für das Putin-Regime oder die Gruppe, die mit Putin zusammen regiert, ist es nicht möglich, einfach zu sagen: "Oops, wir ziehen uns jetzt zurück. So haben wir uns das nicht gedacht." Die können nicht aufgeben. lso werden sie immer weiter eskalieren. Und man muss sagen: Je erfolgreicher und hartnäckiger der Widerstand, umso brutaler werden die Mittel, um ihn zu brechen.


Hendrik Holdmann: Es wurde ja auch viel darüber spekuliert, ob die russische Armee eine B-Truppe, also nicht ihre besten Leute in die Ukraine geschickt hat. Was ist dazu bekannt?


Gernot Kramper: Schon in den ersten Angriffswellen hat man Kommandos, jetzt auch die aus Tschetschenien und Fallschirmspringer gesehen, das sind definitiv Elitetruppen. Das ist nicht die B-Sortierung. Aber wir haben auch gesehen, dass es überall überforderte junge Männer gibt. Wehrpflichtige, die gar nicht richtig wissen, was sie tun sollen, die nicht ausgebildet sind. Wir sehen zweitrangige Ausrüstung, kaputtes Gerät. Das sind auch alles nicht die Glanz-Einheiten des Kremls. Was bedeutet das? Es heißt ja offenkundig, dass man nicht die besten Truppen in die erste Angriffswelle geschickt hat. Das kann zwei Sachen bedeuten: Das eine ist das, dass man die besten Truppen in der Rückhand halten wollte und vielleicht hätte die NATO ja doch eingegriffen Und dann hätte Putin diese Truppen noch zur Verfügung gehabt. Wenn die erst mal in Kämpfe verwickelt sind in der Ukraine, kann man sie da kaum schnell herausziehen. Und das andere ist eine sehr zynische Kalkulation. Die erste Welle wird jetzt die ukrainische Verteidigung im Wesentlichen erproben. Da wird es Überfälle geben, da wird es Verluste geben. Und um das zynisch zu sagen: Dafür ist die zweite Garnitur dann gut genug. Da werden die besten Truppen nicht mit abgenutzt.


Hendrik Holdmann: In den letzten Tagen haben ja Bilder von einem gigantischen russischen Militärkonvoi–  mehr als 60 km – die Runde gemacht, wurden überall verbreitet. Was ist aus diesem Konvoi geworden? Steckt er fest? Hat er sich mittlerweile aufgeteilt? Und was ist von dem zu erwarten?


Gernot Kramper: Der steckt da fest oder der bewegt sich zumindest nicht. Man muss aber auch sagen, so gigantisch ist der Konvoi gar nicht. Dass – wenn wenige Straßen nur zur Verfügung stehen –  Militärkonvois diese extreme Länge erreichen, das kommt in jedem Krieg vor. Das ist hier überhaupt gar keine Besonderheit. Die Bilder, die ich gesehen haben, zeigen im wesentlichen Versorgungs LKWs, Versorgungs Fahrzeuge. Eigentlich gar nicht so unbedingt Kampftruppen. Zumindest das, was man auf diesen Satellitenaufnahmen erkennen kann. Warum dieser Konvoi sich nicht bewegt, ist schwer zu sagen. Es ist möglich, dass es Widerstand gibt. Ist es möglich, dass die Dinge nicht so richtig laufen. Es ist aber auch möglich, dass dieser Konvoi da einfach steht und sich erst in Bewegung setzt, wenn die Kampftruppen versuchen, Kiew einzunehmen.


Hendrik Holdmann: Die russische Armee nimmt aktuell ja vor allem Großstädte ins Visier. Charkiw wurde stark bombardiert, Mariupol, Kiew natürlich. Warum eigentlich?


Gernot Kramper: Das liegt an der Verteidigung. Die Verteidigung kann sich offenkundig oder so wie wir das sehen, nicht in der Fläche halten. Da gibt es guten Widerstand, da gibt es Rückkampf, Verzögerungsgefechte Da gibt die ukrainische Armee ihr Bestes. Aber in der Fläche nur, wo ein Dörfchen ist oder mal eine Fabrik, können sie die Russen nicht aufhalten. Also klammern sie sich auf die großen Städte. Die sind sehr flächig, so wie das bei uns Großstädte eben auch sind, mit Vororten, Industrieanlagen drum herum. Da finden sie Rückhalt für ihre Verteidigung. Und darum konzentrieren sich die Angriffe auf diese Städte. Das ist aber natürlich eine sehr zweischneidige Sache. Die Bebauung hilft dem Verteidiger, aber die Kämpfe rücken natürlich an die Zivilbevölkerung heran. Das ist so. Das mag auf dem Land auch so sein, aber da sind das dann eben einzelne Streu-Siedlungen und -Dörfer. Und hier sind das halt Großstädte.


Hendrik Holdmann: Während der Kampfhandlungen wurde das größte Atomkraftwerk Europas getroffen beziehungsweise es hat dort gebrannt. War das ein Fehlschluss oder ein geplanter Angriff?


Gernot Kramper: Das kann man kaum so sagen. Es ist, wenn ich das richtig sehe, ist ein Verwaltungsgebäude in Brand geraten. Der Reaktor selber hat nicht gebrannt, sondern da sind ja so Anlagen drum herum. Und wir erleben, dass die Russen nun, nachdem sie Cherson eingenommen haben, versuchen, den Dnepr hinaufzukommen. Der Dnepr ist die Lebensader der Ukraine. Die ist ungeheuer wichtig. Und dort am Rand befindet sich ja dieses Kraftwerk. Wieso es da zu Kämpfen gekommen ist, ist schwer zu sagen. Und natürlich ist es eine russische Aggression. Aber man sollte vielleicht nicht unbedingt am Werkstor eines Atomkraftwerks Widerstand leisten. Das ist einfach kein geeigneter Ort. Dann ist dieses Werk eben verloren. Das ist für Kiew auch eine Katastrophe, für ein Großteil der Stromversorgung in dem Land zuständig. Wir gucken ja sehr auf die Hauptstadt, auf die Regierungsgebäude und Ähnliches. Aber natürlich ist die Beherrschung der Infrastruktur, vor allen Dingen der Stromversorgung, natürlich auch entscheidend.


Hendrik Holdmann: Viele Länder haben ja mittlerweile Waffen geliefert, auch Deutschland. Wie wird das den Krieg veränder?


Gernot Kramper: Man muss sagen, für die Ukraine ist diese Unterstützung ungeheuer wichtig: die politische, die moralische und auch die militärischen Güter. Da kommt es jetzt gar nicht so sehr darauf an, ob alles noch bei der Truppe ankommt oder ob alles in dem Zustand sind oder ob man das dann noch ausbilden muss. Es ist der Support der Welt. Umgekehrt muss man aber sagen, dass gerade diese kleinen tragbaren Systeme, die wir liefern, das sind Panzerabwehrwaffen und Luftabwehrsysteme. Die werden es Kiew ermöglichen, einen langanhaltenden Widerstand im urbanen Raum zu organisieren. Das heißt aber auch, der Krieg wird länger und blutiger. Das muss man auch dazu sagen. Das ist leider so.


Hendrik Holdmann: Neben sehr vielen schlechten Nachrichten aus dem Kriegsgebiet gab es auch eine gute Nachricht: Russland und die Ukraine haben sich auf einen Korridor zur Evakuierung von Zivilisten geeinigt. Wie muss man sich sowas in einem Kriegsland vorstellen? Werden da Straßenzüge gesperrt für Bombardierungen, wo beide Parteien sich einigen, die werden nicht bombardiert? Gibt es Koordinaten die freigehalten werden?


Gernot Kramper: Also man muss sich das so vorstellen, dass gewissermaßen eine bestimmte Route freigehalten wird. Das kennen wir aus Syrien. Das kennen wir aus anderen Kriegsgebieten. Da ist das häufig nur eine Straße. In der Ukraine gibt es ja ein gutes Schienennetz. Da ist es also denkbar, dass es eine Ausfallstraße und eine Schienenverbindung freigehalten werden. Das hat also den Vorteil, dass Zivilisten ungefährdet aus diesen Gebieten weiter ausreisen kann. Und es ist ja immer ein bisschen schwierig, die russische Aggression irgendwie in einem guten Licht dastehen zu lassen. Das will ich natürlich gar nicht. Aber im Moment ist es ja auch so, dass die Züge Kiew noch verlassen können. Und es wäre ja ein Leichtes, die Eisenbahnverbindung zu bombardieren. Das passiert ja im Moment auch nicht. Also für die Zivilisten bedeutet das, dass über diese Routen zivile Güter, Versorgungsgüter reinkommen können. Verwundete und Zivilisten aus den Städten herauskommen können. Das ist auch im Interesse der Russen, wenn sie diese Städte erobern wollen. Umgekehrt deutet es aber natürlich darauf hin, dass die Russen nun versuchen werden, einen Belagerungsring um diese Städte zu legen und diese Versorgungstrecken selbst zu kontrollieren. Weil im Moment kommen über diese Strecken natürlich auch Ausrüstung, Infanterie, Reservisten, das Material, was wir schicken. Das kommt ja so an die Front. Dass es in dem Moment natürlich vorbei, wenn die Russen den humanitären Korridor irgendwo kontrollieren, dann lassen sie natürlich nur noch Frauen und Kinder oder Zivilisten zumindest in diesem Sinne raus und wahrscheinlich Versorgungsgüter wie Lebensmittel hinein. Aber die Vorstellung, dass man da Luftabwehrraketen oder Munition in die Städte hinein bringt auf diesem Weg, das ist dann natürlich vorbei.


Hendrik Holdmann: Wie wird sich der Krieg in den nächsten Tagen deiner Meinung nach entwickeln? Welche Szenarien siehst du?


Gernot Kramper: Mit nächsten Tagen da muss man sehr vorsichtig sein. Ich habe das Vorgehen der Russen auch überschätzt. Ich habe gedacht, sie würden weitaus schneller vorrücken und halte mich jetzt damit zurück und halte mich auch mit einer Deutung zurück: Können sie nicht oder wollen sie nicht? Was wir aber erleben ist ja, dass wir blicken sehr stark auf Kiew. Wir blicken sehr stark auf Charkow, auf den Norden des Landes. Die wirkliche Dynamik ist im Moment im Süden des Landes. Dort sind diese selbsternannten Republiken aus ihren Grenzen ausgebrochen und haben das Verteidigungssystem der ukrainischen Armee letzten Endes größtenteils überwunden. Die Hafenstadt Mariupol ist eingeschlossen seit gestern. Da waren sind noch die BBC-Kollegen rausgekommen und auf einmal tauchte eine russische Straßensperre mit Panzern im Nebel auf, auf der letzten Straße. Mariupol wird weiter eingeschlossen, der Belagerungsring wird dichter gezogen. In dem Land werden die Russen weiter vorrücken. Dann würde ich erwarten, dass die Russen weiter im Süden entlang der Dneprs versuchen vorzustoßen, um die Lebensader des Landes so zu erobern und das Land so in zwei Teile zu schneiden. Und was vor allen Dingen zu erwarten wird und was mit Sicherheit passieren wird, dass sie, ob jetzt in den nächsten zwei Tagen, weiß ich nicht, versuchen werden, Odessa abzuschneiden. Sie werden versuchen, aus Cherson eine Landverbindung nach Moldawien oder nach dieser Pseudo-Republik Transnistrien, die der Kreml dort kontrolliert, herzustellen und damit den wichtigsten Hafen der Ukraine und den Dnepr vom Rest des Landes abzuknipsen. Und dann ist auch zu erwarten, dass Sie Ihre Landungsschiff einsetzen. Da sieht man ja ab und zu Bilder, wie die da vor der Krim kreuzen. Die Russen haben für ihre Verhältnisse sehr viel Material für eine amphibische Operation zusammengezogen und die Küstenlinie der Ukraine schrumpft ja. Es ist ja nur noch Odessa übrig. Wenn sie nicht in Odessa landen, dann haben sie da in Anführungsstrichen nichts mehr zu tun. Deshalb würde ich erwarten, dass zumindest in der nächsten Woche der Griff auf Odessa erfolgen wird und die Stadt aber auch nicht gestürmt wird, sondern eingeschlossen wird.