Das Landgericht Detmold hat einen Bruder der entführten und getöteten Kurdin Arzu Ö. zu lebenslanger Haft verurteilt. Der 22-jährige Osman, der im Prozess die tödlichen Schüsse gestanden hatte, muss wegen Mordes ins Gefängnis, entschieden die Richter am Mittwoch. Wie auch vier seiner Geschwister im Alter zwischen 21 und 27 Jahren hatte er eingeräumt, Arzu im November vergangenen Jahres entführt zu haben. Die Tötung sei aber nicht geplant gewesen.
Gegen die Geschwister Sirin und Kirer verhängte das Gericht Haftstrafen von zehn Jahren wegen Geiselnahme sowie Beihilfe zum Mord. Die Brüder Elvis und Kemal sollen wegen Geiselnahme für fünfeinhalb Jahre ins Gefängnis.
Arzu hatte sich von der Familie abgewandt
Die Staatsanwaltschaft hatte in dem Mordfall lebenslange Haftstrafen für drei Geschwister der getöteten Kurdin aus Detmold gefordert. Die Schwester Sirin (27) und die Brüder Kirer (25) und Osman (22) hätten den gemeinschaftlichen Mord begangen, um die vermeintlich verletzte "Ehre" der kurdischen Familie wiederherzustellen, sagte der Detmolder Oberstaatsanwalt Ralf Vetter am Mittwoch in seinem Plädoyer.
Für die beiden anderen Brüder plädierte die Anklage auf Haftstrafen von elf und elfeinhalb Jahren wegen Geiselnahme mit Todesfolge. Für Elvis (21) forderte Vetter elfeinhalb Jahre Haft, für Kemal (24) elf Jahre. Die 18-jährige Arzu Ö. habe ihr eigenes Leben gelebt und mit der jesidischen Familie gebrochen, sagte Oberstaatsanwalt Vetter. Deswegen sei sie getötet worden. Die Religionsgemeinschaft der Jesiden duldet streng genommen keine Beziehungen zu Andersgläubigen.
22-jähriger Bruder schoss nach Streit
Die 18-Jährige war wegen ihres Lebenswandels mindestens zweimal von Osman verprügelt worden. Daraufhin war sie am 1. September 2011 in ein Frauenhaus geflohen und hatte Vater und Bruder angezeigt. Am Abend vor dem 1. November spürten die Geschwister Arzu bei ihrem Freund auf und entführten sie.
Die Verteidiger forderten Strafen zwischen zwei Jahren auf Bewährung und elf Jahren. Die Schwester Sirin war nach eigenem Geständnis die treibende Kraft bei der Suche nach Arzu. Man habe aber nur die verlorene Schwester wieder zur Familie holen wollen, sagte Anwalt Carsten Ernst. Später sei die Situation eskaliert.
Der 22-jährige Osman hatte im Prozess die beiden tödlichen Kopfschüsse gestanden. Er sei von Arzu beschimpft worden, da habe er die Kontrolle verloren und geschossen. Für ihn forderte Verteidiger Jerrit Schöll maximal elf Jahre wegen Totschlags in Tateinheit mit Geiselnahme.
Die Geschwister hatten Arzu in der Nacht zum 1. November 2011 gewaltsam aus der Wohnung ihres Freundes entführt. Dann fuhren die zwei Brüder Kemal und Elvis nach Hause. Die drei anderen - Sirin, Kirer und Osman - fuhren mit Arzu im Auto über Hamburg in Richtung Lübeck. Bei einer Rast kam es dann zu zwei tödlichen Kopfschüssen. Die Leiche brachten die Geschwister an den Rand eines Golfplatzes bei Großensee in Schleswig-Holstein. Dort wurde sie erst Mitte Januar gefunden.
Vor dem Gerichtsgebäude warnten die Menschenrechtsorganisationen Terre des Femmes und Peri davor, sogenannte Ehrenmorde mit Verweis auf andere Kulturen zu relativieren. Es dürfe keine Toleranz in Fällen von Gewalt und Willkür geben.