Lästig, laut, deprimierend - vom Orgelspiel des Verdener Doms fühlt sich eine Nachbarin des Gotteshauses seit Jahren gestört. Nach vielen vergeblichen Gesprächen zieht die pensionierte Lehrerin schließlich vor Gericht. In einem Zivilprozess gegen die Domgemeinde will sie laute Kirchenmusik, die nach draußen dringt, verbieten lassen. Sie klagt auf Unterlassen. Ausgerechnet am Buß- und Bettag ist am Mittwoch die Entscheidung des Landgerichtes Verden gefallen. Die Klage wird abgewiesen, die Frau müsse die Kirchenmusik dulden. "Der Dom ist Zentrum religiösen Lebens", sagt der Vorsitzende Richter Stefan Koch. Es gelte deshalb der Grundsatz der Religionsfreiheit. Zudem würden die gesetzlichen Grenzwerte bei der Lautstärke nicht überschritten.
Der gotische Dom ist das Wahrzeichen der Stadt an der Aller, 1490 wurde der heutige Bau fertiggestellt. "Der Dom hat eine herausragende Stellung in Verden", betont der Richter. Das Grundstück, auf dem die Klägerin seit 1972 mit ihrem Mann lebt, grenzt genau an den Dom. Auch zum Zeitpunkt der Entscheidung für das neue Haus sei in der Kirche schon musiziert worden, sagt Koch. Die Kammer könne das subjektive Empfinden der Klägerin nicht berücksichtigen, sondern müsse vom Durchschnittsbürger ausgehen. Es sei nicht nachvollziehbar, warum diese religiöse Musik traurig machen solle.
Die Nachbarin ist jedoch der Meinung, dass seit 2003 häufiger in dem Gotteshaus musiziert wird als früher. Vor allem der Unterricht ist der Frau ein Dorn im Auge, denn Kirchenchöre, Orgelschüler und ein Posaunenchor proben regelmäßig. "Sie kann es nicht mehr hören", sagt der Anwalt der Frau, Gero Landzettel. "Wir legen es nicht darauf an, uns provozierend zu verhalten", sagt Dom-Kantor Tillmann Benfer. Man habe im Sommer bei großer Hitze teilweise sogar schon versucht, bei geschlossenen Fenstern zu musizieren, um die Nachbarin nicht zu stören. Doch das sei nicht auszuhalten gewesen.
Die Klägerin ist zum Urteil nicht erschienen. Nach Angaben ihres Anwalts ist noch nicht entschieden, ob Berufung einlegt wird. Damit rechnet jedoch der Anwalt der Domgemeinde, Björn Diering. Schließlich habe die Frau auch einen Vergleichsvorschlag im Oktober abgelehnt.