Ludwigshafen Türkin? Die Wohnung kriegen Sie nicht!

  • von Manuela Pfohl
Sie kommen aus Russland, der Türkei, dem Iran, und sie lieben ihre Stadt. Sie versichern, Ludwigshafen habe kein Problem mit Fremdenfeindlichkeit und sei ihre Heimat. Wenn da nur nicht die Sache mit dem Hakenkreuz wäre und der Überfall auf den Schwarzen und der Brand und die vielen Fragen...

"Sie sind Türkin? Tut mir leid, dann bekommen sie die Wohnung nicht." Es sind Erlebnisse wie dieses, die Aynur Uysal-Reiter zur Weißglut bringen. Seit Ewigkeiten lebt die jetzt 39-Jährige in der Bundesrepublik. Sie ist mit einem Deutschen verheiratet, hat studiert, verdient ihr Geld als Sozialarbeiterin, ist integriert. Es hilft ihr alles nichts. Immer wieder spürt sie die subtil verpackte Diskriminierung durch die Deutschen und erlebt die immer offener gezeigte Gegenwehr der Türken. "Es scheint, als hätten wir ein Problem, von dem wir glaubten, dass es längst überwunden ist", meint die Ludwigshafenerin. Wie anders wäre es sonst auch zu verstehen, was gerade in der Stadt passiert. "Warum gab es bei den Türken gleich nach dem Brand den Verdacht, dass es sich nur um einen Anschlag handeln kann. Das zeigt doch offenbar ein großes Misstrauen." Uysal-Reiter hält es für nicht ganz unberechtigt.

Im Internationalen Frauentreff, nicht weit weg vom Haus am Danziger Platz, in dem am Sonntag neun Menschen ums Leben kamen, wird heiß darüber diskutiert. Mit einem überraschenden Ergebnis: "Es gibt hier in Ludwigshafen keine über das 'deutschlandweit normale Maß' hinausgehende Fremdenfeindlichkeit, keinen rechtsradikalen Auswuchs", sagt Frauentreff-Projektleiterin Eleonore Hefner. Und da, wo es ihn doch gebe, werde reagiert.

Die 52-Jährige gehört auch zur Initiative "Lu sagt nein", einem Zusammenschluss verschiedener Aktivisten gegen Rechts, und zum "Bündnis gegen Rechts" des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Sie hat mit dafür gesorgt, dass Unterschriften gesammelt wurden, als vor zwei Monaten ein Schwarzer in Ludwigshafen von rechten Schlägern überfallen und verprügelt wurde. Die Resolution für mehr Toleranz und gegen Fremdenfeindlichkeit, die der Stadtrat fünf Tage später beschloss, hätten sogar die Abgeordneten der rechtskonservativen Republikaner im Stadtparlament unterschrieben. Ein gutes Zeichen für eine wehrhafte Demokratie, findet sie.

"Alles Bullshit"

Sebastian, der sich als "Antifaschist" in Rheinland-Pfalz engagiert, findet das "Bullshit". Er sagt: "Wir haben hier seit langem Probleme mit Rechtsradikalen und auch wenn die Etablierten versuchen, das unter den Teppich zu kehren, wird es nicht verschwinden." Es gebe genügend Beispiele dafür.

Die "Antifaschistische Aktion" sammelt sie alle. "Ein paar haben sie ins Netz gestellt, damit keiner sagen kann, er hätte nichts gewusst", erklärt Sebastian. Den Brand in Oppau, bei dem im Jahr 2000 mehrere Kinder verletzt wurden; den Überfall vom Juli 2005, bei dem ein junger Mann in Ludwigshafen einen Schädelbasisbruch erlitt; den Brandanschlag auf das Haus am Danziger Platz im Jahr 2006, der nur deshalb keine Opfer forderte, weil die durch ein Fenster geworfenen Molotowcocktails sich selbst entschärften; den Überfall auf den Schwarzafrikaner vom Dezember 2007 und auch den auf einen Schwarzen vor knapp zwei Monaten in der Neckarstadt-West. Sie haben die Naziparolen fotografiert, die überall zu sehen seien. "Im Rathauscenter in Ludwigshafen findest du zum Beispiel ein Hakenkreuz auf zehn mal zehn Zentimetern", sagt Sebastian. Das sei eingeritzt in das Geländer im zweiten Stock. "In der Unterführung, hundert Meter Luftlinie vom Rathaus entfernt, ist ein Hakenkreuzverschnitt an die Wand gesprayt. Plus "Antifa aufs Maul." Und auch am Brandhaus selbst haben sich die Rechten verewigt. "Hass" mit SS-Runen steht da geschrieben. Seit fünf Jahren schon.

Polizei versteht die Aufregung nicht

Ludwigshafens Polizeisprecher Michael Lindner kann die plötzliche Aufregung darüber nicht verstehen. "Das hat doch die ganze Zeit niemanden gestört", wundert er sich. Nur eine Schmiererei, nichts, was man jetzt aufbauschen müsse.

Sebastian winkt ab. "Als die Antifa Anfang vergangenen Jahres eine Aktion gemacht hat, 'Kein Schorle für Nazis', und überall entsprechende Aufkleber verteilte, ging das den Lokalpatrioten dann doch zu weit." Kein Wein für Nazis sei eine unzulässige Hetzkampagne habe Kirchheims Bürgermeisterin Ingrid Rehg (SPD) erklärt und kurzerhand eine Veranstaltung gegen Rechts im Gemeindehaus des Örtchens in der Vorderpfalz verboten. Auch der Leiter der Außenstelle der Landeszentrale für Politische Bildung, Bernd Rückwardt, habe sich gegen den "radikalen Konfrontationskurs" der "nicht im Sinne der Demokratie" sei, ausgesprochen. Da brauche man sich über ein paar jahrelang akzeptierte Hass-Parolen auch nicht mehr zu wundern, meint Sebastian. "Da merkst du doch, dass die Sonntagsreden der Politiker nur reine Propaganda sind."

Fast ein Drittel hat Migrationshintergrund

30 Prozent der 171.000 Einwohner Ludwigshafens haben einen Migrationshintergrund. Seit Jahrzehnten gehören sie zum Alltag in der Stadt. Ludwigshafen sei ohne sie gar nicht vorstellbar, sie seien eine Bereicherung, wirklich unverzichtbar, hat Oberbürgermeisterin Eva Lohse erst neulich wieder versichert, als sie zu den Gerüchten Stellung nehmen musste, der Brand am Danziger Platz sei ein gezielter Anschlag auf das von Türken bewohnte Haus gewesen. Der mit Hakenkreuzen illustrierte Verdacht brüllte von den Titelseiten vor allem der türkischen Medien. Aynur Uysal-Reiter hat die Artikel gelesen. "Eine Katastrophe", sagt sie. Ihre Mitstreiterinnen im Internationalen Frauentreff nicken. "Wenn sich herausstellen sollte, dass es wirklich so war, wie die Zeitungen behaupten, dann wird das schlimm werden. Dann gibt es Gegenanschläge und Gegenanschläge gegen die Gegenanschläge." Die Frauen wollen sich das lieber nicht vorstellen. Sie wollen, dass Ludwigshafen endlich wieder raus aus den Schlagzeilen kommt. Sie wollen, dass es nicht umsonst gewesen ist, wofür sie sich politisch oder kulturell engagieren. Morgen werden sie mit einem lange geplanten Videoprojekt der Öffentlichkeit zeigen, wofür die Multikulti-Gemeinde Ludwigshafens steht: Für die Diplomchemikerin Zayeneh Saive aus dem Iran beispielsweise, die vor 28 Jahren nach Deutschland kam und sich mit ihrer Familie ein hübsches kleines Häuschen gekauft hat. Für Aynur Uysal-Reiter, für Larissa Fritsch, die 1993 aus Russland kam und seit mehr als zehn Jahren als Krankenschwester am Klinikum arbeitet. Und für Rosanna Cavallaro aus Italien, die den internationalen Frauentreff managt.

Uysal-Reiter wird wie die anderen Frauen über ihre Wünsche und ihre Hoffnungen berichten und danach vielleicht in einer netten kleinen Kneipe einen Wein trinken. In einer türkischen, versteht sich. Denn da fühlt sie sich mittlerweile einfach sicherer.

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