Neun Monate nach der Befreiung Stephanies aus der Gewalt eines Sexualtäters in Dresden ist erstmals das ganze Martyrium des Mädchens enthüllt worden. Zum Auftakt des Prozesses am Montag im Landgericht Dresden schilderte die Anklage, wie die damals 13-Jährige dem Angeklagten als "Sexsklavin" dienen musste. Stephanie habe dem kahlköpfigen, untersetzten Mann an den 36 Tagen ihrer Gefangenschaft jederzeit und in unerträglicher Form zu Willen sein müssen, sagte Staatsanwältin Liane Pospischil. Der gelernte Anlagenbauer versuchte sich zunächst der öffentlichen Verhandlung zu entziehen, legte aber später hinter verschlossenen Türen ein umfassendes Geständnis ab.
Sitzung musste unterbrochen werden
Der 36 Jahre alte Angeklagte, der am Morgen den wartenden Fotografen und TV- Kameras den Rücken zugewandt hatte, zeigte sich der Konfrontation mit den Tatvorwürfen nicht gewachsen. Er sprang plötzlich von seinem Stuhl auf, als wolle er sich auf die Staatsanwältin stürzen. Sechs Justiz- und Polizeibeamte konnten den kräftigen Mann nur mit Mühe wieder auf den Stuhl zwingen. Er wurde in Handschellen aus dem Saal geführt, die Sitzung unterbrochen. Für Nebenkläger-Anwalt Ulrich von Jeinsen, der Stephanie und ihre Eltern vertritt, zeigt die Aktion die "Durchtriebenheit und hohe Gefährlichkeit" des Mannes, der das Gericht über seine Verhandlungsfähigkeit täuschen wolle.
Der Vorfall und ein Gespräch mit dem Richter verschafften dem Angeklagten dann zumindest Ruhe vor den Kameras und Objektiven, durch die er sich bedrängt fühlte: eine Glastür mit Blick auf den Gang zum Haftkeller wurde provisorisch mit schwarzem Stoff verhängt. Unwillig, die Augen zu Boden gerichtet, lümmelte Stephanies Peiniger scheinbar emotionslos auf der Anklagebank. Mit der Hand vor dem Gesicht und seinem Verteidiger neben sich suchte er Schutz vor den Blicken der rund 40 Journalisten aus ganz Deutschland und Publikum.
Der Mann habe Stephanie körperlich misshandelt und gesundheitlich geschädigt und dabei auch Videos hergestellt. Die Anklage lautet konkret auf Geiselnahme, Vergewaltigung, schweren sexuellen Kindesmissbrauch, Körperverletzung und Erwerb kinderpornografischer Schriften. Der mit zwei Hunden zusammen lebende mutmaßliche Täter hatte das Mädchen vom 11. Januar an fünf Wochen in seiner Wohnung eingesperrt und gequält.
Entführung war lange vorbereitet
Laut Anklage hatte er die Entführung lange vorbereitet, das Mädchen über sechs bis acht Wochen auf dem Schulweg beobachtet und Kleidung für den geplanten Missbrauch besorgt. Zudem baute er eine knapp ein Meter lange sowie je 50 Zentimeter breite und hohe Sperrholzkiste, in der er das Kind bis zu 35 Minuten lang gefesselt und geknebelt einsperrte, wenn er die Wohnung verließ.
Stephanie und ihre Eltern, die als Nebenkläger zugelassen sind, ersparten sich die Begegnung mit dem Peiniger ihrer Tochter, die ihre Rettung der eigenen Courage verdankt: Die Schülerin hatte in ihrem Gefängnis Zettel verfasst und sie bei nächtlichen Spaziergängen mit dem Entführer heimlich fallen lassen. Am 15. Februar dann fand endlich ein Passant einen dieser Hilferufe und brachte ihn zur Polizei, die das Mädchen befreite.
Für den Prozess sind neun Verhandlungstage geplant. Dem Angeklagten droht eine Freiheitsstrafe von bis zu 15 Jahren und Sicherungsverwahrung. Der Angeklagte hatte nach der Verurteilung wegen Kindesmissbrauchs 1999 eine Gutachterin getäuscht und war nach zwei Dritteln der Strafe auf Bewährung entlassen worden.