Bekenntnis zu einer Hass-Liebe Laubbläser – Musik in meinen Ohren

Jeden Herbst werden wieder die Laubbläser ausgepackt, um unter unerträglichem Lärm die Gehwege des Landes vom herabgefallenen Laub zu befreien. Doch unserer Autorin gönnten sie nach viel Aufregung auch einen Moment der Ruhe.

Langsam wache ich auf, die Nacht war lang, das Bett wohlig warm und der Samstag der erste freie Tag nach Wochen. Ausschlafen, im Bett bleiben, Musik hören. Mein Wunsch. Der Wecker, die eigene innere Uhr. Doch dann kommt der Laubbläser. Oder besser: die Laubbläser, Plural.
Monoton, intensiv. Langsam nähert sie sich - die Musik des Herbstes.
Aus dem Zwitschern der Vögel im Sommer ist ein Orchester geworden. Ein Orchester aus unglaublich lauten Föhnen.

Ich liege im Bett und schaue auf die Uhr. Halb neun. Halb neun an meinem freien Tag. Und statt zu schlafen, stehen da unten zwei Typen und spielen das Instrument der Hausmeister. 

Mein Schlafzimmer an der Spitze eines Hauses. Langsam, sehr langsam werden die Gehwege links und rechts von unserem Haus mit Luft gereinigt. In der Mitte werden sie sich treffen. Direkt vor meinem Zimmer. Ich stelle mich darauf ein. Versuche einen Rhythmus der Bläser zu erkennen. Doch das Zusammenspiel ist wie das Klatschen der Deutschen bei Konzerten. Unpassend, niemals im Takt.
In mir regt sich langsam eine leichte Genervtheit. Ich sehne mich kurz nach Süddeutschland zurück. Zurück zur Kehrwoche. Mit Besen und Kehrschaufel. So oft ausgeführt, dass sich ein Laubbläser gar nicht lohnen würde. Oder ist das nur Wunschdenken? Egal. Ich bin hier. Jetzt. In meinem Bett und will eigentlich nur weiterschlafen. Doch daraus wird nichts. Ich bin gefangen. Und fühle mich wie im Flugzeug, wenn der Sitznachbar jede Minute die Nase hochzieht oder schnarcht. Ich steigere mich rein. Kann nichts dagegen tun.

Der Tanz der Blätter

Die Geräuschkulisse wird immer lauter. Gleich sind sie da. Ich quäle mich aus dem Bett. Will sie sehen. Die Maschinen, die mir meinen so lange herbeigesehnten Schlaf geklaut haben. Ich mache mir eine Tasse Tee, ziehe den Vorhang auf und setze mich auf meine Fensterbank. Noch sind sie nicht zu sehen, doch lange kann es nicht mehr dauern. Ich versuche die Uhrzeit auf dem Kirchturm gegenüber zu erkennen. Doch der Nebel lässt nur die Umrisse des Gebäudes erahnen. Herbst eben.
Und dann sind sie da. Beinahe zeitgleich kommen sie um die Ecke. Sie erinnern mich an Babys. So klein und doch so laut.
Dann kommt es zum großen Finale. Beide zusammen, das Laub von zwei Straßen auf dem Platz vor meinem Zimmer. Ein orange-rotes Meer. Und das Gefühl hineinspringen zu wollen. Doch noch ein kurzer Moment der Entspannung. Einzelne Blätter tanzen durch die Luft. Wirbeln hoch bis zu meinem Zimmer im ersten Stock. Ich fange an zu summen. Laubbläser. Irgendwie doch Musik in meinen Ohren.

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