Wie viele Betroffene haben sich bis jetzt gemeldet?
Von den rund 250 Interessenten, die sich bei uns gemeldet haben, werden bei weitem nicht alle teilnehmen können. Wichtig ist zum Beispiel, dass die Betroffenen nicht an einer anderen Erkrankung leiden, wie etwa einer Psychose oder an starken Suchtkrankheiten. Und außerdem dürfen sie nicht justizbekannt sein. Dazu kommen ganz praktische Kriterien, beispielsweise müssen sie versichern, tatsächlich regelmäßig teilnehmen zu können.
Haben sich nur Männer oder auch Frauen gemeldet?
Die einzige Frau, die sich gemeldet hat, ist nicht pädophil. Sie leidet an einer anderen Problematik. Das stützt übrigens auch unsere These, dass es bei Frauen keine Pädophilie gibt. Es gibt zwar Frauen, die Kinder sexuell missbrauchen, aber diese sind in aller Regel nicht sexuell auf Kinder ausgerichtet, sondern begehen die Taten aus anderen Gründen.
Vor kurzem wurde eine Lehrerin verurteilt, weil sie Sex mit einem Schüler hatte…
Ja, aber wie alt war der Junge? 13, oder? Dann hatte er mutmaßlich keinen Kinderkörper mehr. Die Frau war sehr wahrscheinlich also eher angezogen von der Jugend und der Art des Jungen. Unwahrscheinlich ist hingegen, dass sie es aufgrund einer pädophilen Neigung tat.
Das gilt jetzt für Frauen. Wie ist das bei Männern, inwieweit gab es da Nuancen?
Auch bei Männern gibt es viele, die Ersatzhandlungen an Kindern begehen, obwohl sie eigentlich sexuell auf Erwachsene ausgerichtet sind. Sie wünschen sich also Sexualkontakte mit Erwachsenen, können diese aber nicht adäquat realisieren. Dafür gibt es ganz unterschiedliche Gründe – von der Intelligenzminderung bis zur Persönlichkeitsstörung. Das Kind wird dann gewissermaßen „ersatzweise“ benutzt – was aber mit Pädophilie nichts zu tun hat.
Sondern? Was ist dann Pädophilie?
Pädophile, vor allem solche mit einer ausschließlichen pädophilen Neigung, merken schon in der Jugend, dass sie sich auch sexuell nur zu vorpubertären Kindern hingezogen fühlen. Und viele von ihnen merken, dass es nicht normal ist. Bis hin zu dem Punkt, an dem sie Angst vor sich selbst bekommen, Angst den Kindern und auch sich selbst zu schaden.
Warum sollte man seine sexuelle Neigung als behandlungsbedürftig ansehen?
Wer verantwortlich umgeht mit seinen Mitmenschen, der versucht auch, Gefährdungen, die von ihm selbst ausgehen, zu vermeiden. Außerdem ist es so, dass tatsächliche Pädophile Kinder in der Regel wirklich lieben und nicht bloß sexuell begehren. Sie selbst wollen Kindern keinen Schaden zufügen.
Gibt es den Grundtyp eines Pädophilen?
Im Grunde ähneln sie sich so sehr, wie die Männer, die auf Erwachsene stehen, nämlich gar nicht. Ihre sexuelle Neigung ist das einzige gemeinsame Kriterium. Mit anderen Worten: Das Einzige, was Pädophile von anderen Menschen unterscheidet, ist das Alter der Personen, in die sie sich verlieben – das sind Kinder und das ist das Problem. Sie merken, dass etwas nicht mit ihnen stimmt, können aber nicht darüber reden. Sie ziehen sich dann zurück, sind sozial auf dem Abstellgleis, haben Angst, dass jemand etwas mitbekommen könnte, weil sie das sozial umbringen würde, auch wenn sie niemals eine Straftat begangen haben.
Aber warum haben sich gerade diese 250 gemeldet, wie können Sie das erklären?
Zum einen damit, dass sie Sorge haben einen Übergriff begehen zu können und zum anderen damit, dass sie zum Teil stark isoliert sind mit ihrer Neigung, weil sie sich mit anderen nicht austauschen können. Sie alle haben große Angst vor Denunziation.
Waren auch Straftäter dabei?
Ja, deshalb ist es auch wichtig, das Führungszeugnis einsehen zu können. Wir können nur Betroffene aufnehmen, deren rechtliche Verfahren ganz abgeschlossen sind. Das ist wichtig, damit klar ist, das die Therapieplätze denjenigen zugute kommen, die von sich aus Hilfe wollen und nicht deswegen, weil sie eine gerichtliche Therapieauflage erfüllen müssen.
Das ist kein Problem für sie? Sie wissen doch, dass da Kinder in Gefahr sind?
Richtig, das sind sie in diesem Moment auch, und was tun Sie dagegen? Wir bieten in Berlin etwas an, wo es bisher so gut wie nichts gibt. Die Gefahr für Kinder wird nicht größer, wenn man potentiellen Tätern, die selber Hilfe wollen, vorbeugende Behandlung anbietet, damit es nicht zu sexuellen Übergriffen kommt. Bisher bietet die Gesellschaft keinerlei vorbeugende Hilfe an und fordert dann, wenn Taten passieren, härtere Strafen. Das ist alles was passiert. Wir müssen aber viel mehr präventiv arbeiten, damit es erst gar nicht zu Sexualstraftaten kommt. Was wir tun, ist aktiver Kinderschutz – und damit haben wir kein Problem.
Welche Kriterien müssen die Probanden erfüllen – außer, dass sie vorrangig pädophil sind?
Das Präventionsprogramm richtet sich an Personen, die sich sexuell zu Kindern hingezogen fühlen und die selber - also von sich aus - keine sexuellen Handlungen mit Kindern begehen wollen. Unsere klinische Erfahrung aus der Sexualmedizinischen Ambulanz der Charité zeigt, dass wir dann die Verhaltenskontrolle sehr gut erhöhen können, weil die Eigenmotivation zur Veränderung der entscheidende Indikator für das Erreichen von Therapiezielen ist.
Nun ist Pädophlie nicht heilbar, trotzdem macht eine Behandlung Pädophiler für sie Sinn?
Aber natürlich – genau so viel Sinn wie bei allen anderen chronischen Erkrankungen. Bei anderen unheilbaren Krankheiten wie, z.B. jugendlichem Diabetes, sagt auch kein Arzt: Das behandele ich jetzt nicht, weil es nicht heilbar ist. Ein Jugendlicher hat mit Diabetes außerdem auch ein Gefährdungspotential: Bei Diabetes ist das ein Selbstgefährdungspotential und bei der Pädophilie ein Fremdgefährdungspotential. Dem Jugendlichen mit Diabetes werden Medikamente und Verhaltensregeln zur Verfügung gestellt. Er muss lernen, dass der Kuchen beim Bäcker nicht gut für ihn ist. Es gibt Diabetiker, die bekommen das gut hin und welche, die es nicht schaffen. So ist das bei Pädophilen auch. Die Männer sollten jedoch nicht erst mit vierzig zu uns kommen, sondern mit zwanzig, nämlich dann, wenn die Störung schon existiert, aber vielleicht noch nicht zu einem sexuellen Kontakt mit einem Kind geführt hat. Um beim Vergleich zu bleiben: Beim Diabetiker wartet man am besten auch nicht auf den ersten Zuckerschock!
Damit kommen wir zur Therapie. Was ist der Inhalt, das Besondere ihrer Therapie?
Es geht um Hilfe zu Selbsthilfe: Wir unterstützen die Betroffenen therapeutisch in ihrem Willen, keine sexuellen Handlungen mit Kindern vorzunehmen. Wir machen den Betroffenen keinen Vorwurf, weil sie pädophil sind, sondern dann, wenn sie nicht bereit sind, ihr Verhalten zu kontrollieren.
Wie stellen sie das an?
Wir analysieren konkrete Gefährdungssituationen und versuchen dann mit den Männern zu erarbeiten, was tatsächlich in einem Kind vorgeht. Hier sind dann verzerrte Wahrnehmungen zu korrigieren, etwa wenn potentielle Täter glauben, dass die Kinder selbst sexuelle Zuwendung wollen. Wir schaffen damit eine viel bessere Ausgangssituation, um sich richtig zu verhalten. Ein weiteres Beispiel besteht darin, dass die Patienten Briefe an potentielle Opfer schreiben, in denen sie schriftlich die volle Verantwortung für ihr Verhalten übernehmen, für alles was geschehen ist oder was geschehen könnte. Die Behandlung ist also eine Art Verhaltenstraining.
Wie verkaufen Sie das nun in der Öffentlichkeit?
Gegenfrage: Wie verkauft die Öffentlichkeit, dass sie bisher vorbeugend nichts tut? Obwohl es Betroffene gibt, die Hilfe wollen, um keine sexuellen Übergriffe zu begehen? Wir müssen nichts verkaufen! Die Öffentlichkeit weiß nicht, wie effektiv eine solche Therapie sein kann. Wie ein Diabetiker, der sich vernünftig ernährt, Süßigkeiten meidet, Sport treibt und sich Insulin spritzt, so kann ein Pädophiler lernen, ein Kind zu schützen. Entscheidend ist, dass wir die Betroffenen erreichen, bevor es zu sexuellen Handlungen mit Kindern gekommen ist. Je mehr sich die Öffentlichkeit und die Medien mit dem Thema befassen, desto besser funktioniert dies. Es symbolisiert Selbstverständlichkeit im Umgang mit einer Form von sexueller Ausrichtung, die Schaden verursachen kann, aber nicht muss. Bei der Aidsaufklärung geht es genauso darum, Akzeptanz zu schaffen. Auch hier handelt es sich um eine Erkrankung, die Schaden verursachen kann, aber nicht muss. Es kommt auf das Verhalten der Betroffenen an und nicht auch ihre Wesenart. Wir dürfen nicht ausgrenzen. Das führt zu nichts und hilft niemandem weiter.
Wie stellen sie das an?
Wir analysieren konkrete Gefährdungssituationen und versuchen dann mit den Männern zu erarbeiten, was tatsächlich in einem Kind vorgeht. Hier sind dann verzerrte Wahrnehmungen zu korrigieren, etwa wenn potentielle Täter glauben, dass die Kinder selbst sexuelle Zuwendung wollen. Wir schaffen damit eine viel bessere Ausgangssituation, um sich richtig zu verhalten. Ein weiteres Beispiel besteht darin, dass die Patienten Briefe an potentielle Opfer schreiben, in denen sie schriftlich die volle Verantwortung für ihr Verhalten übernehmen, für alles was geschehen ist oder was geschehen könnte. Die Behandlung ist also eine Art Verhaltenstraining.
Wie verkaufen Sie das nun in der Öffentlichkeit?
Gegenfrage: Wie verkauft die Öffentlichkeit, dass sie bisher vorbeugend nichts tut? Obwohl es Betroffene gibt, die Hilfe wollen, um keine sexuellen Übergriffe zu begehen? Wir müssen nichts verkaufen! Die Öffentlichkeit weiß nicht, wie effektiv eine solche Therapie sein kann. Wie ein Diabetiker, der sich vernünftig ernährt, Süßigkeiten meidet, Sport treibt und sich Insulin spritzt, so kann ein Pädophiler lernen, ein Kind zu schützen.
Entscheidend ist, dass wir die Betroffenen erreichen, bevor es zu sexuellen Handlungen mit Kindern gekommen ist. Je mehr sich die Öffentlichkeit und die Medien mit dem Thema befassen, desto besser funktioniert dies. Es symbolisiert Selbstverständlichkeit im Umgang mit einer Form von sexueller Ausrichtung, die Schaden verursachen kann, aber nicht muss. Bei der Aidsaufklärung geht es genauso darum, Akzeptanz zu schaffen. Auch hier handelt es sich um eine Erkrankung, die Schaden verursachen kann, aber nicht muss. Es kommt auf das Verhalten der Betroffenen an und nicht auch ihre Wesenart. Wir dürfen nicht ausgrenzen. Das führt zu nichts und hilft niemandem weiter.