Art Wolfe Die Kunstwerke der Naturgewalten

Vulkanausbrüche, Stürme und Wasserfluten sind mehr als nur Gefahren - sie verwandeln permanent das Antlitz unserer Erde. Der Fotograf Art Wolfe hat alle Kontinente bereist und die schönsten Kreationen der inneren und äußeren Kräfte des Planeten festgehalten.

Bergsteiger investieren eine Menge dafür, manche riskieren sogar ihr Leben. Sie kraxeln und klettern, keuchen und schwitzen, oftmals bis zur Erschöpfung. Selbst schmalste Grate und steilste Wände über gähnenden Abgründen nehmen sie in Kauf. Der Lohn für all die Plackerei: der grandiose Blick vom Gipfel.

Art Wolfe

"Landschaften zwischen Himmel und Erde" 240 Seiten, 336 Farbfotos, Frederking & Thaler, 50 Euro

Landschaftspanoramen, die sich einbrennen ins Gedächtnis, lassen sich an vielen Orten der Erde entdecken, nicht nur auf Bergspitzen. Der amerikanische Fotograf Art Wolfe hat neun Jahre lang auf allen Kontinenten nach ihnen gesucht. Die eindrucksvollsten der dabei entstandenen Porträts vom Antlitz des Globus hat er jetzt zu einem Bildband zusammengestellt. "Landschaften zwischen Himmel und Erde" heißt das Buch - mit fantastischen Aufnahmen von Wüsten und Meeren, Gebirgen und den Polargebieten.

Gestalter all der Kunstwerke war die Natur selbst: Elementargewalten haben die bizarren Formen und Farben der Erdoberfläche geschaffen. Seit Milliarden Jahren sind sie aktiv - seit der Globus sich formte. Die schöpferischen Kräfte kommen sowohl aus dem Inneren des Planeten als auch von außen.

So besteht die Erdkugel keineswegs aus starrer Materie, vielmehr herrscht gewaltige Dynamik in ihrem Bauch. Der heiße, flüssige Kern sorgt dafür, dass weiter außen ständig Gesteinsbrei nach oben steigt, erkaltet und wieder absinkt. Diese Konvektionsströme verschieben riesige Platten auf der Kruste, bewegen ganze Kontinente. Zwar sind das nur wenige Zentimeter im Jahr, doch im Laufe von Jahrmillionen verändert sich so die Wasser-Land-Verteilung enorm.

An den Rändern dieser Platten

falten die freiwerdenden Energien Gebirge von mehreren tausend Meter Höhe auf. Manchmal entladen sich die Spannungen auch als Erdbeben, dann reißen Spalten und Täler in die Kruste, Meeresboden sinkt ab. Reibung und Druckentlastung an den Kontinentalrändern liefern zudem Zunder für die mehr als 500 aktiven Vulkane weltweit. Rot glühende Lava spritzt und kriecht aus den Schlunden, bedeckt und formt das Land; Ausbrüche unter Wasser türmen Massen auf, die nach Jahrtausenden als Inseln aus dem Meer wachsen.

Hinzu kommen die Gewalten der Atmosphäre, die das Gesicht der Erde modellieren: Hitze und Kälte lassen Gestein verwittern und zerbröseln. Dann fegt der Wind das Zerkleinerte hinweg und häuft es irgendwo wieder auf. Er lässt Dünen wandern, transportiert Sandkörner der Sahara bis nach Nordeuropa, jagt Aschewolken aus Vulkaneruptionen in großen Höhen mehrere Male um den Globus. Ein einziger Sturm kann 100 Millionen Tonnen Material bewegen. Und wie ein Sandstrahlgebläse schleift er Berg und Gestein.

Und dann noch die Erosion durch Wasser! Zu Eis gefroren sprengt es härtesten Fels, Gletscher hobeln Landstriche flach und schieben ganze Gebirge aus losem Material zusammen. Regen wäscht lockeren Boden aus. Flüsse schneiden tiefe Kerben, schwemmen die Sedimente zu ihren Mündungen und ins Meer - 14 Milliarden Tonnen Jahr für Jahr. Die Brandung der Ozeane nagt an den Küsten, Gezeiten formen Watt und Strand, Sturmfluten zerschlagen die Uferregionen.

Die Macht all der Elementargewalten wird den meisten Menschen nur dann bewusst, wenn verheerende Naturkatastrophen losbrechen. Das Buch von Art Wolfe öffnet die Augen dafür, dass sie keineswegs nur Zerstörung bringen, sondern fantastische Kunstwerke schaffen. Und dauernd am Werke sind - die sieben Tage der Schöpfung hören niemals auf.

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Horst Güntheroth

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