Serie: Kochen mit Kindern (II) Mit Essen spielt man doch!

  • von Marlies Klosterfelde-Wentze
  • und Stephan Draf
Kochen mit Kindern muss nicht mit Stress und einer verwüsteten Küche enden. Es kann sogar richtig Spaß machen. Die Rezepte sind einfach: ganz viel Gemeinsamkeit, zwei Prisen Ritual und ein gerüttelt Maß an Zeit. Dann können auch Eltern noch was lernen.

Was hatten wir uns nicht alles ausgedacht: den Gurkendrachen. Die Reissonne. Den Kartoffel- Kürbis-Igel. Eigentlich sollten die vier Kinder nur nachschnitzen, was ihnen an kulinarischen Kunstwerken Modell stand. Aber: Sie taten es nicht. Iorana schaute eine Paprika prüfend an und entschied: "Supervase. Ich brauche nur noch Blumen." Die beschaffte Zoë, mit drei Jahren das Nesthäkchen unter drei Achtjährigen: Sie stanzte mit Teigformen aus Ananas und Melonen so viele Blumen, dass es für drei Vasen gereicht hätte. Ella baute Palmen aus Zucchini und Zuckerschoten, Liam konstruierte aus Möhrensäulen und einer dicken Melonenscheibe ein Hünengrab - bei ihm allerdings "Autowerkstatt" getauft.

Bei aller Spielerei: Jegliches Rohmaterial wurde pfleglich behandelt - und komplett verarbeitet. Die Kunstwerke aßen die Kinder am heimischen Tisch als Erstes, wen wundert’s? Nun, vielleicht alle Erwachsenen, die staunen, dass Kochen mit Kindern Spaß machen kann. Und nicht notwendigerweise in gestresstem Gebrüll und einer verwüsteten Küche endet. Die zwar wussten, dass Kinder an Essen und Kochen herangeführt werden müssen, aber sich bislang nicht vorstellen konnten, dass Achtjährige, computererprobt und KiKa-gestählt, sich über so etwas Kindisches wie die Möhrenzunge eines Gurkendrachen freuen. Tatsache ist: Sie fanden es sogar super. Und selbst den umstehenden Großen machte die Verziererei Spaß. Für Erwachsene hat die Geschmackserziehung junger Kinder einen großen Vorteil: Ohne dass andere es bemerken, kann man hier eigene Kenntnisse auffrischen - man muss nur eine Maxime beherzigen: möglichst viel gemeinsam machen. Wer seine Kinder wenigstens einmal im Monat auf den Markt schleppt (oder wenigstens zu einem guten Gemüse- oder Fleischhändler) und die obligatorischen Kinderhappen mitprobiert, kommt beispielsweise schnell drauf, dass drei Monate alter Gouda (der "Kinderkäse") wie Gummi schmeckt - und zwei Jahre gereifter deutlich besser. Finden die meisten Kinder übrigens auch.

Alles muss probiert werden, wenigstens ein Löffelchen voll

Wer seiner Brut beibringt, wie reife Tomaten schmecken (durchaus süß), woran man eine aromatische Ananas erkennt (die Blätter am Strunk lassen sich leicht lösen), wird sich auch selbst in Zukunft nichts Unreifes mehr andrehen lassen. Kinder lernen bei solchen Touren: 1. Es gibt bei Lebensmitteln Qualitätsunterschiede. 2. Man hat das Recht, sich das beste Stück auszusuchen. 3. Geschmack funktioniert oft und gerne über die Nase. Ähnliches gilt beim Kochen: Wer sich die Zeit nimmt, um frisch zu kochen (für Nudeln mit Tomaten-Basilikum-Sauce wären das 30 Minuten), kann Kindern nebenbei das Einmaleins des Brutzelns beibringen: Zweijährige können Basilikum verlesen, Drei- bis Sechsjährige können Tomaten und Knoblauch schneiden, alle zusammen werfen die Nudeln ins Kochwasser und decken den Tisch (und räumen gemeinsam ab!). Wem das Kochwissen in kinderlosen Jahren verloren gegangen ist, kann hier mit einfachen Rezepten von vorn anfangen. Die Kinder jedenfalls werden Ihr Können nie anzweifeln. Zusammen kann man auch den eigenen Geschmackssinn zum Leben erwecken: Kinder in der Küche essen nämlich die Zutaten am liebsten, bevor sie verwendet werden: Basilikum schmeckt roh lecker, Knoblauch nicht. Rohe Tomaten sind in der Saison ein Leckerbissen, Parmesan kann man schon vorm Reiben probieren. Sogar ungekochte Nudeln zerknurpseln Kinder gerne, schließlich will auch das Gefühl für Texturen gelernt sein.

So wie man beim Kochen verschüttetes Wissen aufbereitet, muss man beim Essen Rituale hervorkramen, von denen viele Eltern dachten, sie brauchten sie nie mehr: Alle essen an einem Tisch, alle fangen gemeinsam an und hören gemeinsam auf (ganz kleine Kinder ausgenommen, die müssen nicht warten) - ja, solche Regeln klingen spießig. Sind aber trotzdem sinnvoll: Nur wenn das Mahl im Familienkreis zelebriert wird, bekommt es für Kinder den gebührenden Stellenwert. In dieser Gemeinsamkeit lernen Kinder zudem, dass Kochen uneigennützig und unentgeltlich geschieht, aus Liebe, für andere. Wenn dann Kinder beispielsweise ihr erstes Sonntagsfrühstück in Eigenregie bereiten, trifft es sich gut, wenn alle vielstimmig "Aaah!" und "Toll!" sagen. Weitere Regeln: Alles muss probiert werden, wenigstens ein Löffelchen voll. Die Liste der Mag-ich-nicht-Nahrungsmittel sollte man beschränken: Mehr als drei Dinge gleichzeitig sollten Kinder nicht verachten dürfen. Und: Bitte kein Extraessen! Zum Trinken gibt es Wasser, Fruchtsäfte sind meist Zuckerbomben. Gemüse und Obst sind wichtig: Die Faustregel "Fünfmal am Tag so viel, wie die Faust des Kindes groß ist" befreit Sie davon, Vitamintabellen wälzen zu müssen. Übrigens: Es geht auch mal was schief beim Kochen, so wie bei uns. Kurz vor Schluss schnitt sich Zoë in den Finger. Drama, für ein paar Minuten, aber nicht wegen des pochenden Schmerzes. Nein, "das Blut", schniefte Zoë, "macht die ganzen Blumen dreckig".

Schlürflutscher, Gemüsemuffel und Süßschnäbel

Kinder und ihre Essmarotten: wie Sie damit umgehen

DER SPATZ pickt nur am Essen und knabbert ewig an der Miniportion.

Kleine Kinder brauchen kleine Portionen. Stimmt das Gewicht, müssen Sie sich keine Sorgen machen. Beginnen Sie keinen Affentanz ums Essen: So könnten Marotten entstehen. Fangen Sie mit kleinen Portionen an: Essensberge entmutigen den Spatzen.

DER PURIST mag alles mono: Salat ohne Dressing, nackte Nudeln, Pfannkuchen ohne Apfelmus, Eintopf gar nicht.

Salat extra, Möhre zum Knabbern und Käsewürfel zum Brot sind okay. Lassen Sie Ihr Kind die Sauce selber unter die Pasta mischen. Ändern Sie nicht den Speiseplan. Bieten Sie öfter Kombigerichte. Das Problem legt sich im Kindergartenalter.

DER VIELFRASS hat immer Appetit. Sowie etwas Essbares in Sicht ist, gibt’s Geschrei, der Teller kann nicht voll genug sein.

Mit zwei Zwischenmahlzeiten wie Müsli oder Käsewürfeln mit Obst und drei Hauptmahlzeiten, bei denen tüchtig zu kauen ist, bekommt Ihr Kind genug. Es verhungert nicht, wenn es auf die nächste Mahlzeit ein wenig warten muss. Bitte keine "Rund-um-die-Uhr-Versorgung".

DER SÜSSSCHNABEL kann von Keksen, Puddings, Schokolade nicht genug bekommen. Jeder Einkauf wird zum Spießrutenlauf, und wenn Besuch kommt ...

Besuch bekommt "Süß-schenk-Verbot". Genascht wird nur einmal am Tag nach dem Essen. Ab und zu gibt’s gesunde, süße Hauptgerichte, jeden Tag einen Obstteller, selbst gemachtes Safteis oder Joghurt. Bleiben Sie im Supermarkt hart. Legen Sie keine süßen Vorräte an.

DER SNACKER isst ständig: Ohne Brezel oder Keks im Mund ist das Kind nicht zufrieden. Zu den Mahlzeiten dagegen ist der Hunger klein.

Ihr Kind braucht fünf bis sechs Mahlzeiten am Tag, davon drei Hauptmahlzeiten. Mehr schadet den Zähnen, dem Appetit und setzt die Insulinproduktion unter Druck. Sorgen Sie für essfreie Zonen, und spielen Sie mit dem kleinen Snacker. Essen ist keine Kinderbeschäftigung!

DER FLEISCHFAN isst die Wurst vom Brot und das Hack aus dem Burger. Er mag’s würzig.

Drei Portionen Fleisch in der Woche reichen, schon kleine Mengen würzen ein Gericht. Wurst ist wegen des hohen Salzgehaltes nur in Maßen gut: dünn schneiden und mit Brot essen. Pflanzliche Aufstriche schmecken ebenso würzig wie Streichwurst!

DER GEMÜSEMUFFEL sortiert jedes Petersilienblatt aus und lehnt Grünzeug ab.

Versuchen Sie es mit rohem Knabbergemüse oder Gemüse im Essen versteckt, als Saft gemixt mit Obst. Probieren Sie es immer wieder - und seien Sie ein gutes Vorbild.

DER KONSERVATIVE will immer dasselbe Essen und lehnt alles Neue ab.

Alles muss probiert werden, streichen Sie den Speiseplan nicht zusammen! Nur durch Kennenlernen kann Ihr Kind neue Vorlieben entwickeln. Einseitige Vorlieben sind ungesund.

DER SCHLÜRFLUTSCHER hängt an der Flasche, mag Pudding, Pasta, Babybrei - nur nichts, was er kauen muss.

Spielen Sie "Häschen" mit Knabbergemüse, geben Sie reichlich Sauce zu festem Fleisch. Je mehr das Kind kauen muss, desto stärker werden Kiefer und Zähne. Ab und an püriertes Gemüse und genug Wasser zum Essen bringen es auf den Geschmack - sonst heißt es: Baby forever!

Dagmar von Cramm, Ernährungsexpertin

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