Sehen Sie im Video: Oberst a.D. Ralph Thiele schätzt die Erfolgsmeldungen der Ukraine im Krieg ein.Thiele, Vorsitzender der Politisch-Militärischen Gesellschaft, und ehemaliger Stabschef am NATO Defence College sowie ehemaliger Direktor an der Führungsakademie der Bundeswehr, war lange skeptisch angesichts ukrainischer Erfolgsmeldungen. Jetzt sieht er eine neue Lage, in der ukrainischen Offensive ein Puzzle, in dem sich immer mehr Elemente zusammenfügen…
- "neue Lage nach Monaten"
- "es könnte ein richtiger Durchbruch gelingen"
- Mit den Atacms Raketen kommt eine "ordentliche Hausnummer" und eine "neue Komplexität in die Kriegsführung"
- Entscheidung um Taurus-Raketen der Bundeswehr eigentlich gefallen
Zum gemeldeten Durchbruch der Ukraine im Süden
Es handelt sich laut ihm wieder um einen graduellen Durchbruch, aber trotzdem bemerkenswert, denn er betrifft eine dritte Verteidigungslinie und sie haben sich Verteidigungslinie um Linie durchgekämpft auch mit Panzern. "Verspricht im Grunde, dass jetzt ein richtiger Durchbruch gelingen könnte, also eine neue Lage nach vielen Monaten."
Zudem beobachtet er eine neue Strategie bei den Ukrainern, eine Art "Multi Domänen Kriegsführung", heißt die Ukrainer greifen auf verschiedenen Ebenen an. Also Cyberkrieg, gleichzeitig werden Kommunikationsquartiere angegriffen, Ziele auf See etc. Thiele sieht darin einen "qualitativen Fortschritt".
Atacms Raketen: Die USA werden wohl nur wenige eigene Atacms Raketen an die Ukraine liefern, aber zusammen mit den Waffensystemen aus Frankreich und GB und den Taurus Raketen, wären das insgesamt circa 1000 Präzisionswaffen, die vor allem auf lange Strecke wirken können. Thiele nennt es eine "neue Komplexität der Kriegsführung". Es kann jetzt auch Abnutzung in der Tiefe stattfinden, also Angriffe auf "russische Kommandostellen, logistische Zentren oder Industriestätten". Die Russen haben dem laut Thiele circa 6000 iranische Drohnen entgegen zu setzen. Total unklar noch welche Seite da mehr Vorteile haben wird. Das werden erst die nächsten Monate zeigen.
Taurus-Raketen der Bundeswehr
"Die Entscheidung ist im Grunde gefallen". Dadurch, dass die USA liefern, wird Deutschland dem jetzt auch zustimmen. Das große Problem wird eher sein, das Projekt auf die Beine zu stellen. Es braucht Soldaten, die die Raketen programmieren. Das können keine Bundeswehr Soldaten sein und Thiele vermutet, dass man jetzt Verträge mit externen Firmen oder ehemaligen Soldaten eingehen wird. Eine Ausbildung der ukrainischen Truppen ist natürlich auch denkbar, dauert aber. Und was man auch unbedingt braucht: Jets, wie die F16 zum Transport der Raketen. "Die F16 werden sicherlich zum Jahresende in der Ukraine eintreffen. Dann werden aber nur einzelne nutzbar sein. Die Ukrainer werden bis Jahresende 2024 brauchen, bis sie die F16 sozusagen ihrer Mehrheit souverän bedienen können, mit Piloten und auch der ganzen Logistik drumherum."
Zur Reichweite der Taurus und Atacms
Man wird jetzt die Schwarzmeerflotte auf der Krim angreifen können aber mit Taurus auch den Donbass und theoretisch Ziele in Russland. Also, kann es schon sein, dass sich die Ukraine irgendwann die Frage stellt, warum sie diese Waffe nicht auch nach Russland schicken sollten. Das Völkerrecht verbietet das zum Beispiel nicht. Man verschiebt immer weiter das nicht hinten, von dem man denkt, dass es für Putin eine rote Linie ist, sagt Thiele.
Zu Pistorius im Baltikum
Das Baltikum zu verteidigen, wird sportlich. Diese Brigade in Litauen soll eigentlich mehr oder weniger Symbolcharakter haben. Wenn Russland dort angreift, soll diese Truppe die Stellung halten bis Verstärkung von der Nato eintrifft. Aber diese Verstärkung der Nato gibt es so gar nicht in der Form. "Sie schützen ein bisschen. Für den Fall, dass der Korridor zwischen Russland und Königsberg missbraucht wird. Sie könnten Angriffe dort aufhalten." Gleichzeitig sagt er auch: Wir müssen aufpassen, dass wir nicht ständig nur Signale senden und nichts dahinter steckt.
Tamara Bilic spricht mit Oberst a.D. Ralph Thiele, Vorsitzender Politisch-Militärische Gesellschaft.