Nach diesem kritteligen Reporter Fontane hat sich bei uns Brandenburgern reichlich hundert Jahre keiner mehr blicken lassen. Gut so, wir hätten eh nix Neues zu bieten, eine andere Mentalität schon gar nicht. Man hat, was man hat, und wenn es nix ist, ist es wenigstens wie immer. Für Aufbruch sind wir auch jetzt nicht in Stimmung. Wir sollten fusioniert werden, ausgerechnet mit den Berlinern. Eisig fuhr der Schreck durch Mark und Brandenburg. Nix da, von uns umzingelt sind uns die Raffkes lieber. Irgendwie krakeelen unsere Jungnazis scheint's nicht laut genug, die Berliner halten uns noch immer für Rothorden, weil unser Lenin-Denkmal in Potsdam noch steht, und obwohl niemand so viele Stasi-Aktivisten zu braven Beamten umerzogen hat wie unser offizieller Vorarbeiter Manfred Stolpe. Also haben wir die Fusion begeistert vermasselt, eine Vereinigung reicht. Wenn wir geahnt hätten, dass Marktwirtschaft nicht nur anständige Rente bedeutet, sondern auch Bock auf Risiko, und dass die vom Ollen Fritz persönlich hergebrachten Kartoffeln für Pommes frites im Europa-Markt zu klein sind, hätten wir schon bei der ersten nicht mitgemacht, wo wir den ganzen Westen dazugekriegt haben. Nun bleiben die Berliner aber nicht in ihrer Stadt, sie ziehen in unser Umland, genießen unsern Hecht in Bier und Buttermilch, kriegen Golfpätze und wir keine neuen Straßen, weil diese Fremden auch wegen der ollen Allen hergezogen sind, dabei kannste bloß vor lauter Bäumen den Schlaglöchern nicht ausweichen, die der Sozialismus uns beschert hat und der Kapitalismus uns erhält. Ganz schlecht war längst nicht alles in der DDR, außer vielleicht die endlose Warterei auf den eigenen Trabi und dass wir "Steige hoch, du roter Adler" heimlich singen mussten. Seit Helmut Kohl erzählt hat, dass er unsern Sand erblühen lässt, dürfen wir unser Wappentier wieder heimattreu über Sumpf und Kiefernwälder in den Himmel heben, und der Texter "Heide-Justav" Büchsenschütz ist mit über 90 noch Plattenmillionär geworden. So haben sogar wir einen Gewinner der Wende, wenn auch tot. Als Mitbringsel empfehlen wir Spreewaldgurken, die wir früher nicht mal im Spreewald kriegten. Nur die Berliner. So sind sie.Veröffentlicht in: "Deutschland - Die 16 Bundesländer - Neu entdeckt. Bertelsmann, München 2000"
Angetippt Brandenburg
Nach diesem kritteligen Reporter Fontane hat sich bei uns Brandenburgern reichlich hundert Jahre keiner mehr blicken lassen. Gut so, wir hätten eh nix Neues zu bieten, eine andere Mentalität schon gar nicht.