"Schlechtes Wetter gibt es nicht, nur schlechte Kleidung", sagt Irene zu Beginn unseres Rundgangs und weiß als Bergenserin, wovon sie spricht: Die zweitgrößte Stadt Norwegens ist für ihre überaus große, durch das Seeklima und die Berge bedingte Niederschlagsmenge bekannt. Und auch an diesem Morgen regnet es, wie in den nächsten drei Tagen auch. "Sie müssen im Mai wiederkommen, dann ist es fast die ganze Zeit trocken", setzt Irene, mein Tour-Guide, noch eins drauf. Fast die ganze Zeit? Bis Mai sollten mir ein paar sonnigere Ziele eingefallen sein - denke ich mir.
Die Zeit der Hanse
Zu Zeiten der Hanse wickelten sämtliche norwegischen Fischer ihren Handel über Bergen ab. Deutsche Kaufleute ließen sich alsbald nieder und eröffneten im 14. Jahrhundert eigene Kontore. Getreide, Salz und Bier aus Deutschland wurden gegen Stockfisch (getrockneter Kabeljau) und Tran aus Norwegen getauscht. Die Hanseaten wohnten in Holzhäusern auf der Nordseite des Hafens, heute Bryggen gennant, die gleichzeitig als Lagerhäuser dienten.
Die alten und schiefen Holzhäuser der hanseatischen Kaufleute stehen auf der UNESCO-Liste der weltweit erhaltenswerten Kulturdenkmäler. Durch schmale Gänge gelangt man zwischen den spitzgibeligen Holzhäusern in die langgestreckten Höfe, die von Häuserzeilen mit Wohn-, Lager- und Aufenthaltsräumen gesäumt werden. Durch mehrere Brände zerstört, sind leider nur wenige Kontorhäuser erhalten geblieben. Eines der am besten erhaltenen Gebäude beherbergt heute das Hanseatische Museum und gibt einen fantastischen Einblick in die Zeit von damals.
In dicke Regenjacken gepackt, starten wir an einem Samstagmorgen unseren Rundgang durch Bergen vom Marktplatz (Torget) aus. Im Winter unter Zelten geschützt, verkaufen Händler hier, wodurch die Stadt reich und berühmt geworden ist: Fisch. War es früher fast ausschließlich Kabeljau, bietet der Markt heute einen Genuss für Augen und Gaumen. Verschiedene Meeresfrüchte, frisch gekochte Krabben, roter Hummer und der typische norwegische Räucherlachs machen Hunger auf ein deftiges Frühstück.Vom Markt aus erstreckt sich auf der Nordseite des Vägen, dem Hafenbecken, die Bryggen. Die alten und schiefen Holzhäuser beherbergten einst die deutschen Kaufleute und sind heute das Wahrzeichen von Bergen. An diesem Morgen wirkt die Gegend aber eher wie ausgestorben. Nur wenige Leute begegnen uns in dem sonst so belebten Viertel. Wo sind die bloß alle? Irene weiß Rat und so kehren wir auf dem Weg zum Theater im Café "Jansvoll" ein. Wie es scheint, hat sich halb Bergen vor dem schlechten Wetter hier verkrochen. "Wir gehen alle erst gegen Mittag einkaufen", erklärt Irene. "Vorher schlürft man seinen Milchkaffee." Das erklärt wohl, warum die Stadt vor kleinen Cafés nur so wimmelt. Wir sitzen im "Jansvoll" an einem langen Tresen, der sich längs der großen Fensterfront erstreckt, beobachten die Leute, die vorbeigehen, und lassen uns beobachten. Reizüberflutung nennt man es wohl. In Hamburg habe ich noch nie so viele hübsche Frauen auf der Straße vorbeigehen sehen. Überhaupt sind sehr viele junge Menschen unterwegs - von 230.000 Einwohnern sind 12.000 Studenten. "Die Alten wohnen alle weiter draußen in ihrem Häuschen mit Garten, die Jungen meist mitten in der Stadt", erklärt mir Irene. Und wieder: "Sie müssen im Mai wiederkommen, wenn die ganzen Musikfestivals beginnen". Hmh, Mai - mal gucken, denke ich mir.
Dann geht es zurück in den Regen und wir drücken aufs Tempo: Durch die Strandgaten rauf zum Nordnes-Park, wo man einen wunderbaren Ausblick auf die andere Seite des Fjords und das große Hafenbecken hat, dann durch kleine Gässchen und vorbei an wunderbaren Holzhäusern zur Johanneskirken. Das bergauf und bergab erinnert fast ein bisschen an die Straßen von San Francisco. Über Universität, Seefahrtsmuseum, Grieghallen, Kunstmuseum, Domkirken laufen wir zurück zum Theater. Dann noch Rosenkrantzturm und Hakonshalle, wo einst die norwegischen Könige gekrönt wurden, und - geschafft, das war Bergen im Schnelldurchlauf. Eine Stadt, die für Fußgänger wie geschaffen ist, wäre da nur nicht der Regen. Aber selbst dafür haben sich die Bergenser schon etwas einfallen lassen. An den Straßenecken sind Automaten aufgestellt, an denen sich Touristen einen Regenschirm kaufen können. "Wir haben sogar zehn davon nach London verkauft", berichtet Irene stolz.
Tipps und Informationen
Anreise: SAS-Airlines bietet Flüge ab allen großen deutschen Airports über Kopenhagen.
Hotels
SAS Radisson Hotel Norge
, Ole Bulls plass 4, Tel. 55 57 30 00, www.radissonsas.com;
Clarion Hotel Admiral
, C. Sundtsgate 9-13, Tel. 55 23 64 00, www.admiral.no
Restaurants
Nama
, Sushi-Spezialitäten. Lodin Leppesgate, Tel. 55 32 20 10;
Zupperia
, Suppen in allen Variationen, Nordahl Brunsgate, neben Hotel Norge;
Lucullus
, eine der besten Adressen der Stadt, Neptun Hotel, Valkendorfgate 8, Tel. 55 30 68 00;
Finnegaardstuene
, Feines Essen in einer einzigartigen Atmosphäre, Rosenkrantzgaten 6, 55 55 03 00
Frühstück
Godt Brod, eine der besten Bäckerein mit integriertem Café, Vestre Torggate
Am Abend regnet es immer noch. Ich bin unterwegs in einen der unzähligen Clubs. Ob die Norweger es wirklich hinbekommen eine Party zu feiern? Als besonders temperamentvoll gelten die Skandinavier schließlich nicht und dass alkoholische Getränke im Vergleich zum europäischen Festland erheblich teurer sind, macht die Kontaktaufnahme sicher auch nicht leichter. Das "T24" am Vestre Torggate in der Nähe der Johanneskirken ist jedenfalls proppenvoll – überwiegend Studenten, fast alle unter 30. Ich bestelle mir ein kleines Bier für 44 Norwegische Kronen (das sind rund 5,50 Euro) und lasse mich an der Bar nieder. Und entgegen meiner Erwartungen stehe ich nicht lange alleine dort. Jan aus Bergen will wissen woher ich komme und was ich in der Stadt mache - Touristen sind im Januar eher die Seltenheit. Wir verständigen uns auf englisch und ich hole mir Tipps für das Nachtleben. Nebenbei erfahre ich, dass die Bergenser die "Latinos" Norwegens seien und somit so rein gar nicht nordisch distanziert. Kann ich nur bestätigen. Als wir weiterziehen habe ich fast die halbe Bar kennen gelernt.Schließlich landen wir in einem der angesagtesten Clubs der Stadt, im "Miles Ahead" am Torggaten. Ein sehr stylischer Laden mit sehr vielen hübschen Menschen und ausgelassener Atmosphäre. Um drei Uhr ist die Party allerdings schlagartig vorbei - Sperrstunde! Wie, jetzt gehen in Bergen schon die Lichter aus? Irrtum! Als wir auf die Straße kommen wimmelt es draußen von Leuten. Bier und Musik gibt es zwar nicht mehr, gefeiert wird trotzdem. Jan lädt mich auf einen Hot Dog ein und erzählt mir, dass ich unbedingt im Mai wiederkommen müsse. "Dann wird es nachts nicht mehr richtig dunkel und hier gefeiert bis in den Morgen." Ich komme bestimmt wieder.