Nie wieder... ...dem Lockruf eines Schuhputzers folgen

  • von Stefanie Rosenkranz
Er lächelte so nett und hatte einen güldenen Kasten. Da ließ Stefanie Rosenkranz, stern-Korrespondentin in der Türkei, ihre Schuhe putzen - mit unerwarteten Folgen.

Das Leben, man muss es immer wieder auf das Bitterste feststellen, ist von himmelschreiender Ungerechtigkeit. Prinz Charles hat einen Butler, der ihm die Zahnpasta auf die Borsten drückt, auf dass Hoheits manikürter Hand dieses erspart bleibe. Und was hat unsereins? Unsereins hat eine Geschirrspülmaschine. Einräumen müssen wir selbst. Immerhin: Weil das Leben ungerecht ist, gibt es ärmere Länder als das unsere, in denen wir uns auf Reisen zumindest kurzzeitig so vorkommen wie Prinz Charles.

Zum Beispiel in der Türkei. Hier muss man eigentlich gar nichts mehr selbst machen. Am Flughafen bieten Legionen starker Männer an, einem die Koffer zu tragen, im Restaurant umschwirren einen die Kellner wie Motten das Licht, im Supermarkt werden die Einkäufe verpackt und bis zum Auto geschleppt. Und für ein paar Cent kann sich der Besucher auch Alltagswonnen hingeben, die er sich in der Service-Wüste Deutschland nur selten leistet, es sei denn, er ist Dagobert Duck. So bekommen Frauen beim "Kuaför" nicht nur eine neue Frisur, sondern auch ein Fußbad inklusive Massage und Pediküre. Männer müssen sich nicht selbst rasieren; das besorgt der Barbier mit einer messerscharfen Klinge. Anschließend massiert er die Denkerstirn, und die Glatze, falls vorhanden, wird poliert und parfümiert.

Schuhcreme selbst für Flipflops

Allüberall gibt es auch Männer mit prächtigen Bärten und noch prächtigeren, golden schimmernden Kästen, die einem mit allerlei mysteriösen Tinkturen die Schuhe putzen wollen - übrigens auch dann, wenn man gar keine Schuhe trägt, sondern etwa Flipflops.

Neulich war ich mit einem deutschen Freund in Izmir, und während wir am Busbahnhof herumlungerten und auf unsere Verbindung warteten, ereilte uns der Lockruf eines Schuhputzers, der außer über Schnurrbart und Goldkasten noch über goldene Schneidezähne verfügte und somit rein optisch einfach unwiderstehlich war. Mein Begleiter konnte ihm in letzter Sekunde seine Füße entziehen; sie steckten in Turnschuhen. Doch ich trug staubiges Leder. Und außerdem: Was gibt es Dooferes, als sich selbst die Schuhe zu putzen? Während der Mann sich ans Werk begab, unterhielt ich mich weiter mit dem Freund, bemüht, die weltläufige Gelassenheit an den Tag zu legen, die etwa James Bond ausstrahlt, wenn er massiert wird und gleichzeitig telefoniert. Zwar roch es nach Terpentin, aber meine Füße waren ja in den Händen eines Profis.

"Grün ist eine schöne Farbe"

Schließlich war das Werk vollbracht, und meine Schuhe, gerade eben noch braun und dreckig, waren jetzt grünlich und sauber. "Sie sind grünlich!", sagte ich empört zum Schuhputzer. Der sagte nur: "Drei Lira bitte", und angewidert: "Es liegt an den Schuhen. Sie sind von schlechter Qualität." Ich hatte mich zwar fast schon schuldig gefühlt, weil ich ihm keine "Manolo Blahniks" anvertraute, aber sooo billig waren meine Stiefel auch nicht gewesen. "Ausgerechnet grünlich!", jammerte ich. "Grün ist eine schöne Farbe", sagte ungerührt der Schuhputzer. Vermutlich war er Fundamentalist, denn Grün ist die Farbe des Islams. Ein sattes Grün allerdings, und das, was ich nun an den Füßen hatte, erinnerte eher an ein verstopftes Klo.

"Sie sind jetzt wie neu", sagte der Schuhputzer. "Sie sind nicht neu, sie sind anders", quengelte ich. "Und was ist so schlimm daran?", fragte der Schuhputzer. "Auch das Leben ändert sich ständig. Heute ist man reich, morgen ist man arm, oder umgekehrt. Wir sagen dann: Inschallah. Europäer dagegen regen sich auf. Warum? Wozu? Ändern kann man sowieso nicht das Geringste."

"Genau", mischte sich mein Freund ein. Ich fühlte mich wie platt gedrückt auf einem westöstlichen Diwan und zahlte, auch weil unser Bus kam. Unterwegs rissen die Schnürsenkel. "Inschallah", sagte der Freund.

Manches sollte man eben doch besser selbst machen.

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