Internet im Flugzeug Surfen über den Wolken

Von Georg Dahm
Lange waren Passagierflieger die letzten internetfreien Zonen unseres Lebens. Das ändert sich gerade: Auch die Lufthansa rüstet jetzt ihre Maschinen mit Wlan aus.

Es gibt Menschen, die genießen die stillen Stunden an Bord des Geschäftsfliegers, in denen das Handy schweigt und keine Mail den Gedankenfluss stört. Und es gibt Menschen wie Ulrich Spranger, für die schon zwei Reisestunden ohne Internet der blanke Stress sind. "Ausgeruht anzukommen heißt für mich, dass ich meine Arbeit erledigt habe und mich vor Ort voll konzentrieren kann", sagt der Geschäftsführer des Kassentechnikunternehmens Jarltech. So gesehen ist es eine Wellnesseinrichtung, die Spranger für geschätzte 100.000 Euro in seinen Firmenjet hat einbauen lassen: Eine Satellitenantenne auf dem Dach liefert einen Breitband-Internetzugang, in der Kabine sorgt ein Wlan-Router für die Anbindung von Laptop und iPad. Auch das Handy kann Spranger an Bord benutzen, die Gesprächsqualität, sagt er, ist einwandfrei.

Lange war die Welt über den Wolken eine der letzten Internet-freien Zonen. Smartphone, Laptop, PDA, alles ausschalten bitte, die empfindliche Bordelektronik. "Die Luftfahrt ist sehr konservativ", sagt Lufthansa-Sprecher Michael Lamberty. "Wenn wir nicht hundertprozentig ausschließen können, dass etwas die Avionik stören könnte, dann muss es leider ausgeschaltet bleiben." Tatsächlich kann man schon seit 2004 ausschließen, dass eine Laptop-Antenne einen Flieger zum Absturz bringen kann. "Wir haben für die Behörden mit Tests am Boden nachgewiesen, dass Wlan die Elektronik nicht stört", sagt Lamberty. Auch Handys stellen kein Problem dar: Sie senden an Bord nur ein schwaches Signal, weil sie nur bis an die Decke funken müssen, wo unter der Verkleidung Antennenkanel durch die Kabine laufen.

In den USA ist Wlan im Flieger längst Standard

Diesseits des Atlantiks macht sich das im Flugalltag aber bislang kaum bemerkbar - anders als in den USA, wo Wlan und Handynutzung bei vielen Fluglinien zum Standard gehören. British Airways etwa bietet Internet nur in den 32-sitzigen Business-Fliegern, die zwischen London City und New York JFK verkehren. Emirates-Passagiere können an Bord von 220 Flügen mit dem Handy telefonieren und SMS schicken, in ausgewählten Flugzeugen soll es bald GPRS-Datenverbindungen geben. Immerhin hat Oman Air seine gesamte A330-Flotte mit Wlan und Handyempfang ausgestattet.

In Europa ist die Lufthansa der erste Betreiber, der im großen Stil das drahtlose Internet an Bord seiner Maschinen bringt, allerdings nur auf Interkontinentalverbindungen. Im vergangenen November startete der kostenlose Testbetrieb auf einigen Nordatlantikstrecken, seit Ende Februar gilt die Technik als ausgereift: Sobald das Flugzeug den Empfangsbereich eines Satelliten verlässt, taucht es in den Sendekegel des nächsten ein - wie ein Handy, das beim Autofahren automatisch die Sendemasten wechselt.

Passagiere werden zur Kasse gebeten

Eine Stunde Internet kostet 10,95 Euro oder 3.500 Meilen, eine Tagespauschale das Doppelte. Völlig unzensiert und unbeschränkt sei der Zugang, versichert Lamberty, nur Skype-Telefonate solle man den Sitznachbarn ersparen. Und wenn einer doch das Headset anwirft? "Dann kommt ein Hinweis vom Kabinenpersonal."

19 Maschinen sind schon mit dem von Panasonic entwickelten System ausgerüstet, Stück für Stück soll die gesamte Interkontinentalflotte folgen. Dach aufsägen, Satellitenantenne einbauen und mit einer Kuppel abdecken, Kabel ziehen, Router anbringen: "So ein Umbau lässt sich nicht innerhalb weniger Tage erledigen", sagt Lamberty, "wir machen das, wenn eine Maschine ein paar Wochen zur Wartung am Boden ist."

Dabei war die Lufthansa schon deutlich weiter. 69 Jets hatten das von Boeing entwickelte System "Connexion" an Bord, das 2006 mangels Kunden eingestellt wurde. Vor allem die nach dem 11. September 2001 kriselnden US-Fluglinien scheuten die Investition. Statt auf teure Satellitenverbindungen setzen die US-Fluglinien heute auf günstige Mobilfunktürme. Auf dem nordamerikanischen Kontinent reicht das völlig aus, die Antennen des Marktführers Aircell versorgen unter anderem die Maschinen von Delta Airlines, Virgin America und Air Canada.

Gefunden in

der Onlineausgabe der Financial Times Deutschland

Dagegen herrscht an Bord der meisten Privatjets noch vornehme Funkstille. "Die Genehmigungsverfahren sind extrem teuer", erklärt Sebastian Demiet vom Flugmakler Deutsche Privatjet. Ob A380 oder Propellermaschine: Wer als erster einen Flugzeugtyp mit einer bestimmten Funktechnik ausstattet, muss sich die Konstruktion vom Luftfahrtbundesamt abnehmen lassen. Der Aufwand lohnt sich vor allem für größere Jets über 10 Sitzplätzen - und auch dafür gibt es nur einen Anbieter, sagt Jens Dreyer von Aviation Broker.

"Bei den kleinen Maschinen gibt es exakt eine", sagt Sascha Küster vom Vermittler Sophistic Air: "Die Citation von Ulrich Spranger." 60.000 Euro habe er für die Zulassung seines Jets gezahlt, sagt Spranger- wer jetzt das gleiche System in ein Citation-Flugzeug einbauen will, kann sich diesen Aufwand sparen. Einen Teil der Kosten wird er über die Vermietung wieder reinholen. Ein Alleinstellungsmerkmal hat er jetzt ja.

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