Psychologie der Niederlage "Enttäuschung auf hohem Niveau"

Erstarrt das Land nach Deutschlands WM-Aus nun in kollektiver Enttäuschung? Nein, sagt der Sozialpsychologe Heiner Keupp. Er erwartet eine Mischung aus Stolz, Trauer und Mitgefühl - ganz anders als in Brasilien.

Herr Professor Keupp, erwarten Sie, dass das Land nun in einer Art kollektiver Enttäuschung erstarren wird?

Es ist eine Enttäuschung auf hohem Niveau, eine gewisse Traurigkeit, die jetzt in Deutschland herrscht. Man hätte es sich gewünscht, und man hätte es der deutschen Elf gewönnt, dass das Fest noch bis Sonntag weitergeht. Aber ihre junge, dynamische Art zu spielen hat der Mannschaft viele Sympathien eingebracht. Auch die Bild-Zeitung schreibt heute: "Ihr seid trotzdem Helden".

Woran liegt es ihrer Meinung nach, dass in der Trauer und Enttäuschung auch Stolz mitschwingt?

Die Fans haben keinen Grund, enttäuscht zu sein im wörtlichen Sinne: Sie sind nicht getäuscht worden, sie können der deutschen Mannschaft nicht vorwerfen, sie hätte es besser machen können. Eine ganz andere Stimmung herrscht dagegen gerade in Brasilien: Dort sind die Fans enttäuscht und wütend, dort hört man häufig den Vorwurf, das brasilianische Team hätte sich nicht genug anstrengt, und die deutsche Mannschaft wird oft als Gegenbeispiel angeführt.

Auch für die Spieler ist es sicher nicht einfach.

Ja, sie müssen nun mit der Niederlage fertig werden. Aber ich hoffe, das Mitgefühl der deutschen Fans hilft ihnen dabei und sie sind stolz auf das, was sie erreicht haben.

Was erwarten Sie für das Spiel um Platz 3?

Wenn ich mir die Stimmung im Land anschaue, glaube ich, die Fans werden der Mannschaft einen tollen Empfang bereiten. Denn eins erkennen alle an: Auch wenn die Deutschen jetzt ausgeschieden sind, ist es ist unglaublich, was wir erreicht haben.

Prof. Heiner Keupp ist Sozialpsychologe und lehrt an der Universität München

Interview: Angelika Unger

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