Agrarwirtschaft Bauern, Ernte und Verbraucher am Scheideweg

Nach dem dritten Jahr mit Einkommensverlusten von im Schnitt fünf bis acht Prozent hoffen die Bauern sehnlichst auf eine wieder bessere Ernte. Auf das Wetter können sie dabei nicht bauen.

"Wann wirds mal wieder richtig Sommer...?" Der Uraltschlager von Rudi Carrell gibt darauf keine Antwort. Die vom Regenwetter verunsicherten Badenixen, Picknick-Fans und Landwirte müssen sie woanders holen. Der Deutsche Wetterdienst in Offenbach kündigt Wechselhaftigkeiten auch bis zum kommenden Wochenende an: "Im ganzen Land wird es wahrscheinlich wieder unbeständig mit Schauern und Gewittern". Beständig sind dagegen die Bauernregeln: "Was der Juli verbricht, rettet der September nicht."

Juli für Ernte sehr wichtig

Wie wichtig der siebte Monat für Ernte, Landwirte und Verbraucher tatsächlich ist, gibt noch besser folgender Spruch wieder: "Muss im Juli man nicht schwitzen, tut die Jahresplag nichts nützen." Stimmt die Offenbacher Vorhersage, dann sind es nur noch zwei Wochen, um die hohen Erwartungen zu erfüllen. Nach dem dritten Jahr mit Einkommensverlusten von im Schnitt fünf bis acht Prozent hoffen die Bauern sehnlichst auf eine wieder bessere Ernte. Und die war seit der Elbe- und Donauflut vor zwei Jahren vor allem in Sachsen und Brandenburg buchstäblich ins Wasser gefallen und ließ auch im Wirtschaftsjahr 2003/004 zu wünschen übrig.

Auch wenn die bayerische Staatsregierung mit Vorlage des jüngsten Agrarberichts jubelte, dass der durchschnittliche Gewinn aller Haupterwerbsbetriebe im Land für 2002/03 mit 26.793 Euro pro Hektar 578 Euro mehr ausmache als im Bundesschnitt: Nicht übersehen werden darf dabei Branchenkennern zufolge, dass dort das Höfesterben für 10.000 Betriebe weiterging. Alarmiert war deshalb der Präsident des Deutschen Bauernverbandes Gerd Sonnleitner. "Durchhalten" ist seine Parole, wie er in einem Gespräch am Sonntag sagte. Er hofft, dass die rot-grüne Bundesregierung den Schrumpfkurs für die Landwirtschaft aufgibt und keine neuen Forderungen draufsattelt.

Ackerbaubetriebe leiden unter Agrarreform

Das gelte vor allem für die Ackerbaubetriebe, dem die soeben vom Bundesrat beschlossene Agrarreform schwer zu schaffen machen werde. Für Rinderzüchter und Milchzüchter sei dagegen ein gangbarer Weg gefunden worden. Von bisher fehlgeleiteten Subventionen könne aber nicht die Rede sein, widerspricht Sonnleitner Rot-Grün.

Dabei hatte NRW-Agrarministerin Bärbel Höhn (Grüne) am Freitag im Bundesrat weitergehende Übergangshilfen für die Milchbauern mit den Worten zurückgewiesen: "Wir wollen nicht den so genannten Sofamelkern auch noch Geld zukommen lassen." Angesichts der fragenden Blicke erläuterte sie: "Das sind diejenigen, die mal gemolken haben, aber jetzt auf dem Sofa sitzen und dafür auch noch Geld bekommen."

Landwirte wurden immer flexibler

Die Grundversorgungs-Branche mit insgesamt 1,2 Millionen Beschäftigten nicht im Regen stehen zu lassen, fordert der Bauernpräsident. Die Landwirte seien in den vergangenen Jahren immer flexibler geworden: Vor Jahren wurden "Ferien auf dem Bauernhof" kreiert. Inzwischen sind Landschaftsschutz und für den Energiemarkt nachwachsende Rohstoffe hinzugekommen. Lösungen für die umstrittene Gentechnologie mahnen Branchenbeobachter noch an. Bleibt der laute Hilferuf der Bauern vor der "erdrosselnden Marktmacht des Einzelhandels", wie ihn Sonnleitner formulierte.

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Wolfgang Bunse, dpa

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