"Tank-Tourismus" Zum Tanken nach Polen

Das Jahr 2004 stand für Rekordpreise an den Tankstellen. Schockierte Autofahrer flüchteten in Scharen zum Tanken über die Grenze.

Das Jahr 2004 war für die Energieverbraucher in Deutschland extrem bitter: Energie wurde deutlich teurer, egal ob für die Raumheizung oder das Auto, Strom oder Gas, Benzin oder Kohle. Die hohen Rechnungen an der Tankstelle, für das E-Werk oder den Gasversorger schmälerten die Kaufkraft der privaten Haushalte in Deutschland spürbar und trugen so zur Konsumflaute bei. Allein der Anstieg der Rohölpreise belastete nach einer Schätzung des Statistischen Bundesamtes die Verbraucher mit 2,4 Milliarden Euro oder rund 61,50 Euro je Haushalt. Im nächsten Jahr dürfte sich die Situation nach Einschätzung der meisten Experten nicht bessern.

Erdöl stieg fast um das Doppelte

Die globale Leitenergie, das Erdöl, notierte zum Jahresbeginn noch mit gut 30 Dollar für ein Barrel (159 Liter) der Nordsee-Sorte Brent. Auf der Basis einer starken Nachfrage aus den Schwellenländern China und Indien begann noch im Winter eine Öl-Hausse. Sie zog immer mehr Spekulanten an, denen jede Nachricht recht war, um die Preise in die Höhe zu treiben. Der Skandal um den russischen Yukos-Konzern, Sabotage im Irak, Hurrikans im Golf von Mexiko, Streiks in Norwegen und Nigeria - alles musste herhalten, um die Notierungen weiter in die Höhe zu treiben. Erst im Oktober, bei 52 Dollar für ein Barrel Brent, war der Gipfel erreicht und der Preis fiel wieder zurück.

Entwicklung eines "Tank-Tourismus"

Schockiert registrierten die Autofahrer neue Rekordpreise an den Tankstellen. Im Oktober kostete ein Liter Superbenzin im bundesweiten Durchschnitt 1,22 Euro, ein Liter Diesel 1,08 Euro. Mittlerweile sind die Preise wieder auf 1,08 Euro für Super und 95 Cent für Diesel gefallen, doch der Schreck sitzt tief. In Scharen flüchteten die Autofahrer zum Tanken über die Grenze; rund eine Million Tonnen Benzin wurden nach Branchenschätzungen außerhalb Deutschlands getankt. "Dabei haben die Verbraucher in Deutschland nur 80 Prozent des Preisanstiegs beim Öl tragen müssen", sagt Karl-Heinz Schult-Bornemann von ExxonMobil. "Der starke Euro hat die übrigen 20 Prozent übernommen."

Debatte ohne Lösungsmöglichkeiten

Mit dem Öl wurde das Erdgas automatisch teurer, das über Lieferverträge an den Preis für leichtes Heizöl gekoppelt ist. Das löste eine heftige Debatte, Zahlungsboykott bei Verbrauchern und Verfahren des Bundeskartellamtes aus, die noch nicht zu Ende sind. Der Vorwurf an die Gaswirtschaft: Überhöhte Preise, ungerechtfertigte Bereicherung, Missbrauch wirtschaftlicher Macht. Ähnlich ging es der Strombranche, die ihre Preiserhöhungen mit immer neuen staatlichen Steuern, Abgaben und Auflagen zu rechtfertigen suchte. Ein anberaumter Energiegipfel beim Kanzler platzte schon im Vorfeld: Wegen zu erwartender Erfolglosigkeit.

Prognosen erwiesen sich als unzuverlässig

Ähnlich ging es der Kanzler-Initiative aus dem Sommer, im Rahmen der führenden Welt-Wirtschaftsnationen G-8 die Spekulation auf dem Ölmarkt eindämmen zu wollen. Sie verlief im Sande. So bleibt dem deutschen Verbraucher nur die Hoffnung, dass die Kräfte des Marktes im nächsten Jahr in die andere Richtung wirken und die Energiepreise sinken lassen. So manche Vorhersage geht in diese Richtung: Nachdem Opec und Privatwirtschaft ihre Förderung ausgedehnt haben und gleichzeitig das Wachstum der Weltwirtschaft nachlässt, könnte Energie auch wieder billiger werden. Doch die Zuverlässigkeit von Prognosen ist gering: Den Anstieg in diesem Jahr hatte niemand vorhergesagt.

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Eckart Gienke/DPA