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Gezielte Abzocke? Banken sollen zu hohe Dispo-Zinsen kassiert haben – Firma geht pleite, Landwirt bangt um Existenz

Sparkasse - Volksbank - Sollzinsen - Abzocke - NDR
Für mittelständische Unternehmen können fällige Zinsen für einen überzogenen Dispokredit die Existenz gefährden - vor allem wenn diese zu hoch berechnet wurden (Symbolbild)
© Jens Kalaene / Picture Alliance
Jahrelang sollen eine Sparkasse und eine Volksbank einem Medienbericht zufolge zu hohe Zinsen für überzogene Dispokredite verlangt haben – mit schlimmen Folgen für die Betroffenen. Die Banken weisen die Vorwürfe zurück, Experten sprechen von einer "gängigen Methode".

In Niedersachsen sollen eine Sparkasse und eine Volksbank Kunden über Jahre hinweg zu hohe Zinsen für das Überziehen des Dispokredits berechnet haben - mit drastischen Folgen für die Betroffenen. Konkret nennt der NDR in seiner am Montagabend ausgestrahlten Sendung "Hallo Niedersachsen" den Fall eines Landwirts aus dem Landkreis Verden sowie das Beispiel eines mittelständischen Unternehmens aus Hannover. Während die Banken die Vorwürfe zurückweisen und von Einzelfällen reden, sprechen unabhängige Experten in dem TV-Beitrag von einer "gängigen Methode".

Landwirt Johann Grotheen haben die von der Kreissparkasse Verden eingezogenen Sollzinsen demnach so gut wie ruiniert, wie er gegenüber dem NDR erzählt. 1991 hatte er den elterlichen Betrieb übernommen, durch Vorauszahlungen, beispielsweise für Futtergeld oder Saatgut, rutschte er immer wieder in die roten Zahlen, was sich seine Bank durch saftige Sollzinsen bezahlen ließ. Für den Landwirt fatal: Der Schuldenberg Grotheens wuchs, parallel wurde die Zinslast immer höher. Letztlich wandte sich Grotheen im Jahr 2009 an einen Kreditsachverständigen, der sämtliche Buchungen, Wertstellungen und Zinsen nachträglich neu berechnete. Das Ergebnis: Die Sparkasse hatte im Laufe der Zeit mehr als 300.000 Euro zu viel berechnet.

Sparkasse muss falsch berechnete Zinsen nur teilweise erstatten

Möglich war dies wohl auch, weil es selbst für erfahrene Kreditexperten laut NDR nur mit teurer Software möglich sei, zu überprüfen, ob ein Kontoauszug rechnerisch korrekt ist. In Grotheens Fall war dies nicht so, dennoch musste der Landwirt bis vor das Oberlandesgericht Celle gehen, um dort dann auch nur teilweise Recht zu bekommen. Ihm wurde vom Gericht lediglich eine Erstattung von 28.000 Euro zugesprochen, alle anderen Ansprüche lehnte die Richter als verjährt ab. 

Während Grotheen die überhöhten Zinszahlungen fast all sein Land kosteten, sieht man bei der Kreissparkasse offensichtlich keinen Grund, dem Landwirt mit einer Rückerstattung der unerlaubt zu hoch eingezogenen Zinsen entgegenzukommen. "Der Sachverhalt wurde in einem Gerichtsverfahren über alle Instanzen geprüft, endgültig entschieden und ist für beide Seiten abgeschlossen", wird die Kreissparkasse Verden vom NDR zitiert.

Im Falle Grotheens hatte sich die Bank dem Bericht zufolge nicht an das sogenannte Äquivalenzprinzip gehalten. Dieses besagt, dass Banken den bei der Kontoeröffnung herrschenden Zins-Abstand zwischen dem Zentralbankzins und dem dem Kunden gewährten Zins über die gesamte Laufzeit einhalten müssen. Anders ausgedrückt: Senkt sich der Zentralbankzins, muss auch der Sollzins für das Girokonto entsprechend nach unten korrigiert werden. Die Kreissparkasse Verden machte dies erwiesener Weise nicht – und strich stattdessen ordentliche Gewinne ein.

Experten sprechen von "gängiger Methode"

Dies musste auch ein Glasmöbelhersteller und Volksbank-Kunde aus Hannover erleben. Dem Unternehmen wurden laut NDR über mehrere Jahre hinweg insgesamt 140.000 Euro Sollzinsen zu viel berechnet. Geld, das der Firma genau in jener Zeit fehlte, wo sie hätte investieren müssen. Stattdessen geriet der Betrieb in einen Teufelskreislauf, an dessen Ende die Zahlungsunfähigkeit und ein Verlust von 80 Arbeitsplätzen gestanden habe. Die beschuldigte Volksbank weist die Vorwürfe gegenüber dem NDR ebenfalls zurück und gibt an, den Fall gerichtlich klären zu wollen.

Dass beide Fälle eher die Regel als die Ausnahme sind, davon ist der Bankenrechtsexperte Ernst August Bach überzeugt. Das Vorgehen der Banken sei eine "gängige Methode", um die eigenen Margen zu erhöhen, sagte der Anwalt dem NDR. Auch der Kreditsachverständige Hans Peter Eibl schlägt in dieselbe Kerbe. In den drei Jahrzehnten, in denen er Konten überprüfe, sei von den Banken nur einmal korrekt abgerechnet worden.

Während die Soll-Zinsen für Privatkunden in der Regel nur wenige Euro im Jahr betragen würden, könne es bei Selbstständigen oder kleinen Betrieben auch mal in die Hunderttausende gehen, schreibt der NDR. Der Bankenexperte Hans-Peter Schwintowski geht in dem Bericht noch weiter. Er geht davon aus, dass Kunden durch die Rechentricks jährlich ein Schaden von mehreren Milliarden Euro entstehe. So werde der gewerbliche Mittelstand "kaputtgemacht".

+++ Hier können Sie sich den im Rahmen der Sendung "Hallo Niedersachsen" ausgestrahlten Beitrag zum Zinsbetrug noch einmal in voller Länge ansehen. +++

Quelle:NDR

Girokonto Vergleich: Hier geht es zur Übersicht.

mod

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