Der Schutz des Eigentums im Grundgesetz setzt dem Fiskus keine feste Obergrenze für den Zugriff auf das Einkommen der Steuerzahler. Ein Limit von etwa 50 Prozent für die Gesamtbelastung des Bürgers durch Ertragsteuern sei der Verfassung nicht zu entnehmen, entschied das Bundesverfassungsgericht in einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss. Damit erteilte der Zweite Senat dem von ihm selbst formulierten "Halbteilungsgrundsatz" eine Absage. (Az: 2 BvR 2194/99 - Beschluss vom 18. Januar 2006)
Das Karlsruher Gericht hatte 1995 in einem - anscheinend vom damals als Berichterstatter zuständigen Richter Paul Kirchhof geprägten - Beschluss zur Vermögensteuer entschieden, die Obergrenze der erlaubten Gesamtlast liege "in der Nähe der hälftigen Teilung" zwischen Staat und Steuerzahler. Seither wird in Wissenschaft und Justiz über die Konsequenzen dieses Satzes gerätselt.
Senat beschränkt Grundsatz auf Vermögenssteuer
Der Zweite Senat stellte nun klar, dass dieser Grundsatz jedenfalls nicht für Einkommen- und Gewerbesteuer gelte. Damals sei es nur um die - nicht ohne weiteres vergleichbare - Vermögensteuer gegangen. Zudem sei dieser Teil der Entscheidung für andere Gerichte nicht bindend, weil er für das damals gefundene Ergebnis - die Verfassungswidrigkeit der ungleichen Besteuerung von Immobilien und anderem Vermögen - keine tragende Rolle gespielt habe.
Auslöser des jetzigen Verfahrens war ein Gewerbetreibender, dem das Finanzamt für das Jahr 1994 - bei einem zu versteuernden Einkommen von mehr als 620.000 Mark (heute knapp 320.000 Euro) mehr als 370.000 Mark (rund 190.000 Euro) an Einkommen- und Gewerbesteuer abverlangt hatte - also fast 60 Prozent. In seiner Verfassungsbeschwerde berief er sich auf den "Halbteilungsgrundsatz".
<Höhere Einkommen werden stärker besteuert
Nach den Worten des Zweiten Senats sind zwar Szenarien denkbar, in denen eine im internationalen Vergleich ungewöhnlich hohe Steuerlast wenigstens einer besonderen Rechtfertigung bedarf. Allerdings habe der Gesetzgeber einen großen Gestaltungsspielraum. So komme es beispielsweise nicht allein auf den Steuersatz an. Denn je breiter die Bemessungsgrundlage sei - etwa durch Abschaffung von Steuerprivilegien -, desto stärker wirke sich der Steuersatz aus. Zudem sei es dem Gesetzgeber unbenommen, über einen progressiven Steuertarif höhere Einkommen stärker in die Pflicht zu nehmen.