Der beigefarbene Soldat trägt ein Schwert in der einen und einen Schild in der anderen Hand. Er sieht ernsthaft, wenn nicht sogar grimmig aus, kampferprobt und wettergegerbt. Es handelt sich um eine Schachfigur, im modernen Schach hätte er die Rolle des Turms gehabt. Doch der bärtige Krieger stand schon lange auf keinem Schachbrett mehr. Seit mehr als 50 Jahren lag er in einer Schublade in Schottland.
Die Figur hatte einst nur sechs Pfund gekostet
1964 kaufte ein schottischer Antiquitätenhändler den Schachsoldaten für nur sechs britische Pfund auf einem Flohmarkt. Vielleicht gefiel ihm einfach das Aussehen des kleinen Kerls, vermutlich erkannte der erfahrene Händler aber bereits, dass es sich bei der Figur um etwas Besonderes handelte. Seinem geschulten Auge dürfte direkt aufgefallen sein, dass der Soldat aus geschnitztem Walross-Elfenbein bestand und wirklich alt war. Er packte die Figur sorgfältig ein und verstaute sie daheim in einer Schublade. Und dort blieb sie.
Nachdem der Mann gestorben war, passte auch seine Frau weiterhin gut auf den grimmigen Soldaten auf. Gelegentlich nahm sie ihn aus der Schublade und wickelte ihn aus, um die charaktervolle Figur zu betrachten. Dann legte sie ihn behutsam zurück. Die Kinder des Paares, die mit der Figur nun an die Öffentlichkeit gingen, berichten, ihre Mutter habe immer geglaubt, dass die alte Schachfigur etwas Magisches an sich habe.
Nach dem Tod der Eltern wollen ihre Erben den Soldaten nun versteigern lassen. Erst, als die Profis vom Auktionshaus "Sotheby's" die kauzige Figur zu sehen bekamen, wurde klar, wie bedeutsam sie wirklich war: Der grimmige Krieger hatte Gefährten, die schon lange im Britischen Museum in London zu bestaunen sind. Sie bilden die "Lewis Chessmen", ein Set, das einst aus 97 Figuren bestand, von denen aber nur 93 erhalten sind. 82 davon sind im Britischen Museum in London ausgestellt, 11 im Schottischen Nationalmuseum in Edinburgh. Bisher fehlten ein Läufer und vier Türme. Einer davon ist jetzt gefunden – es ist der grimmige Soldat.
Fünf Figürchen fehlten – eine ist jetzt gefunden
Die "Lewis Chessmen" wurden 1831 auf der Isle Of Lewis im Nordwesten Schottlands gefunden. Bis heute ist nicht bekannt, unter welchen Umständen sie genau entdeckt wurden, oder von wem. Es wird vermutet, dass sie zwischen 1150 und 1250 im norwegischen Trondheim geschnitzt wurden und dann von Händler, Kriegern oder Einwanderern auf die schottische Insel mitgebracht wurden.
Am 2. Juli wird der bärtige Soldat "unter den Hammer" kommen. Es ist das erste Mal, dass ein "Lewis Chessman" versteigert wird. Alexander Kader vom Auktionshaus "Sotheby's" sagt: "Es gibt mit Sicherheit noch mehr über die Geschichte des Soldaten herauszufinden. Über seine Erlebnisse während der letzten 188 Jahre, nachdem er von seinen Schachfiguren-Kumpanen getrennt wurde. Und genau so interessant wird das nächste Kapitel seiner Reise werden."
Ob dieses Kapitel darin besteht, mit seinen früheren Kollegen wiedervereint zu werden, ist noch offen. Die interessierten Museen müssten einen stolzen Preis für den Elfenbein-Krieger bieten: Sein Wert wird auf bis zu eine Million Pfund geschätzt. Möglich wäre aber auch, dass ein finanzstarker Käufer den Soldaten ersteigert und anschließend dem Museum als Leihgabe zur Verfügung stellt.
Quelle: CNN
