Bund, Länder und Kommunen müssen sich bei der Steuerschätzung mit Horror-Zahlen abfinden. Die bisher gehandelten Steuermindereinnahmen von etwa 50 Milliarden bis 2007 wurden mit der neuen Prognose weit übertroffen. Der Arbeitskreis Steuerschätzung kam zu einem "desaströsen" Ergebnis: Laut Finanzminister Hans Eichel werden 126 Milliarden Euro an Steuereinnahmen fehlen.
Auch dies zu orptimistisch?
Diese Einnahmeprognose für dieses Jahr ergibt sich aus dem Vergleich zur November-Schätzung. Die langfristige Prognose ist die Schätzabweichung zur Mai-Vorhersage. Die Schätzung bildet die Grundlage für die Erstellung der Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen. Experten halten die Einnahmeprognose schon jetzt für unrealistisch. Die Schätzer gingen nach Vorgabe der Bundesregierung von 0,75 Prozent Wachstum aus. Das halten nationale Konjunkturforscher und internationale Organisatoren für zu optimistisch.
Korrektur der Prognose
Die stark verringerte Konjunkturprognose der Bundesregierung macht gleichzeitig eine drastische Korrektur der Vorhersage aus dem Frühjahr 2002 notwendig, verlautete aus Kreisen des Expertengremiums, das seit Dienstag im brandenburgischen Lübbenau tagt. Bei der Mai-Prognose war Rot-Grün noch von 1,5 Prozent Wachstum ausgegangen. Inzwischen erwartet sie 0,75 Prozent, was nationale und internationale Konjunkturforscher und Organisationen für zu hoch halten. Im Arbeitskreis war es zu einer heftigen Debatte über die Prognose gekommen.
Weiter Diskussion um Erhöhung der Mehrwertsteuer
Trotz des Neins der Bundesregierung ging die Diskussion über eine Mehrwertsteuererhöhung bei gleichzeitiger Senkung der Sozialversicherungsbeiträge weiter. Auf diese Weise würde sichergestellt, dass bei der Sozialreform "alle einen Beitrag leisten", sagte die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis im Südwestrundfunk. Die SPD-Politikerin verteidigte auch den Vorschlag aus den eigenen Reihen, die Steuerfreiheit für Nacht-, Feiertags- und Sonntagszuschläge zu streichen.
Bundesbankpräsident und Union warnen
Der bayerische Regierungschef Edmund Stoiber und Bundesbankpräsident Ernst Welteke warnten vor weiteren konjunkturfeindlichen Steuererhöhungen. Die Haushaltskrise müsse durch verstärktes Sparen und Strukturreformen beseitigt werden, sagte Welteke der "Berliner Zeitung". "Schluss mit der unsäglichen Steuerdiskussion", forderte Stoiber laut "Bild"-Zeitung. Das gelte auch für Vorstöße aus der Union. Notwendig seien "verlässlich festgelegte Steuersenkungen" in den nächsten fünf Jahren. Stoiber reagierte damit auf den Vorschlag des Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer, bei der Mehrwertsteuer draufzusatteln, wenn im Gegenzug die Lohnnebenkosten gesenkt werden. Stoiber sprach sich nach Angaben der "Bild"-Zeitung auch gegen die Idee aus, die steuerfreien Schichtzuschläge zu überprüfen.
EU-Strafe derzeit kein Thema
Trotz der Haushaltskrise ist eine EU-Geldstrafe gegen die Bundesrepublik wegen eines Verstoßes gegen die Euro-Vorgaben derzeit kein Thema. Ein Sprecher von EU-Finanzkommissar Pedro Solbes bestätigte die Einschätzung Eichels. Sollten die eingeleiteten Maßnahmen der Bundesregierung keine Wirkung zeigen, würde die EU-Kommission zunächst weitere, konkrete Empfehlungen abgeben, hieß es in Brüssel.