Schlusstag im Madoff-Prozess "Verurteilen Sie das Monster"

Heute ist der Tag der Abrechnung. Ein New Yorker Gericht fällt sein Urteil über "Bernie" Madoff, die letzte Sitzung hat begonnen. Tausende Opfer in den USA und Europa wollen den 71-jährigen Ex-Broker hinter Gittern sehen. Dem Geständigen drohen bis zu 150 Jahre Gefängnis. So gigantisch mutet aber auch die Summe an, die er mit seinem Betrugssytem angehäuft hat.

Aus seiner Untersuchungshaft im städtischen Knast im Süden Manhattans sind es für Bernard "Bernie" Madoff nur wenige Schritte zum Bezirksgericht für den Southern District of New York. Nahe der Wall Street darf er sich seit etwa 10 Uhr Ortszeit (16 Uhr MESZ) selbst äußern. Er kam begleitet von Beamten in einem dunklen Anzug mit Krawatte und weißem Hemd ins Gericht.

Erwartet wird eine erneute Entschuldigung bei seinen Opfern. Einige von ihnen sollen zudem nochmals stellvertretend ihr Leid klagen, das ihnen das jahrzehntelange Schneeball-System bescherte. "Keine Gnade", sagte ein 63-jähriger Rentner. Seine Frau weine jeden Tag um das Leben, das sie gemeinsam durch den Betrug verloren hätten. Ein anderes Opfer forderte, Madoff solle im Gefängnis bleiben, bis alle Geschädigten finanziell abgesichert seien. Vor dem Gericht warteten zahlreiche Opfer, Schaulustige und ein enormes Medienaufgebot.

Auch aus mehr als 100 Briefen an Richter Denny Chin schallt der Ruf nach Vergeltung: "Verurteilen Sie das Monster mit Namen Madoff zur schwerstmöglichen Strafe", fordert etwa Randy Baird, selbst Juristin. Einst schüttelte der Broker ihrer Tochter die Hand zum Dank für ihm anvertrautes Geld, das später einmal das Studium finanzieren sollte. "Madoff ist ein Serien-Krimineller", schreibt Baird verbittert.

Das letzte Wort hat RichterChin. Möglich sind bis zu 150 Jahre Haft, die der Staatsanwalt forderte. Für nur zwölf Jahre plädierte Madoffs Verteidiger Ira Sorkin. Viel länger habe sein Mandant statistisch ohnehin nicht mehr zu leben. Das Gericht dürfe nicht einem Klima der "Rachsucht" nachgeben, mahnte er. Experten erwarten aber dennoch eine "lebenslange" Strafe von mehreren Jahrzehnten.

Madoffs Mega-Betrug stellt in der Tat jeden Kriminalroman in den Schatten. Sein erstes als Rettungsschwimmer noch redlich verdientes Geld steckte er in Aktien. Mit vorgeschwindelten Renditen und einer schillernden Fassade lockte der Geschäftsmann später scharenweise Anleger in die Falle. Unter ihnen Hollywoodstars wie Regisseur Steven Spielberg, weltweite Stiftungen und auch Großbanken in Europa.

In einem ausgeklügelten Schneeball-System zahlte Madoff Gewinne mit dem Geld neuer Kunden. In Wahrheit gab es die Aktiendeals so wenig wie die Renditen. Auch die Börsenaufsicht SEC täuschte er. Erst mit der Finanzkrise flog alles auf. Als Anleger in ihrer Finanznot große Summen zurückforderten, war nichts mehr da. 65 Milliarden Dollar war Madoffs Lügengebäude in besten Zeiten schwer.

Söhne ohne Mitleid

In der Nacht zum 11. Dezember 2008 offenbarte Madoff seinen zwei erwachsenen Söhnen Andy und Mark die Ausweglosigkeit. Sie hatten kein Mitleid und riefen die Bundespolizei FBI. Seither rätseln Ermittler und Geschädigte. Obwohl die Söhne wie Madoffs Bruder Peter mit in der Firma beschäftigt waren, will keiner etwas gewusst haben.

Auch Ehefrau Ruth, 68, nicht. Bisher wird ihnen nichts zur Last gelegt. Die New Yorker Öffentlichkeit verhängte aber ihre eigenen Strafen. Ruth Madoffs Promifriseur wies ihr die Tür. Paparazzi drücken ab, wenn sie aus Sparzwang nun in die U-Bahn steigt statt in die Limousine. Der Hass sitzt tief, denn "Bernie" brachte seine Opfer nicht nur um ihr Geld, er missbrauchte auch ihr Vertrauen.

Vor der U-Haft residierte Madoff in einem New Yorker Luxus-Appartement, besaß mehrere Villen und Yachten etwa in Florida und Frankreich. Selbst aus dem Hausarrest wollte er noch Juwelen und Luxusuhren mit Millionenwert beiseiteschaffen.

Viele Besitztümer konnten Ermittler und Treuhänder inzwischen sichern. Erst am Freitag gab auch Ruth Madoff nach und stimmte einem Vergleich zu: Immobilien, Autos, Yachten und anderes Familienvermögen im Gesamtwert von mehr als 80 Millionen Dollar gehen an die Opfer. Dafür darf sie 2,5 Millionen für ihr weiteres Leben behalten.

Auch wenn schon erste Anlegergelder zurückgezahlt wurden, dürften viele Opfer von ihrem Vermögen höchstens einen Bruchteil wiedersehen. Und selbst dies kann wegen des komplizierten Falls lange dauern. So will Richter Chin erst drei Monate nach dem Strafmaß ein weiteres Urteil zum Schadenersatz fällen.

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Von Roland Freund, DPA