Spenden Soziales Start-up Share fragt: Wie sozial sind die Menschen noch in der Krise?

Ben Unterkofler sammelt durch sein soziales Start-up Spenden
Als Teenager spielte Ben Unterkofler in mehreren Kinofilmen mit. Inzwischen ist er Co-Gründer des sozialen Start-ups Share, das mit jedem gekauften Produkt Spenden sammelt und konkrete Leistungen für benachteiligte Menschen finanziert
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Eine aktuelle Studie zeigt: Die Deutschen sparen aufgrund der Inflation vor allem beim Thema Nachhaltigkeit. Das merkt auch das soziale Start-up Share – und passt deshalb sein Geschäftsmodell an.

In seinem früheren Leben war Ben Unterkofler Teeniestar, spielte in "Freche Mädchen" oder bei den "Wildern Hühnern" mit. Mehr als 20-mal stand Unterkofler vor der Kamera, galt als talentiert und war 2011 für den New Face Award nominiert. Doch dann, als Unterkoflers Karriere eigentlich so richtig durchstarten sollte, stieg er aus. 2013 drehte er seinen letzten Film, eine Folge SOKO München, dann startete er ein BWL-Studium in Köln und ging später an die renommierte London School of Economics. Ein Kontrastprogramm, das Unterkofler aber im Nachhinein als "guten Schnitt" bezeichnet, denn ohne ihn wäre er nicht dort, wo er heute ist. Inzwischen ist Unterkofler Gründer und erzielt mit seinem sozialen Unternehmen Share einen zweistelligen Millionenumsatz. Nach allen gängigen Kriterien eine Erfolgsgeschichte.

Seit diesem Jahr bekommt diese Geschichte allerdings erste Kratzer. Im ersten Quartal wurden die Umsatzwachstumserwartungen um 20 Prozent verfehlt und Share musste sich von einigen Angestellten trennen. Dabei sind Unterkofler und sein Team nur in Teilen Schuld an der Entwicklung. Der Einbruch hat vor allem mit einem makroökonomischen Trend zu tun. Denn, so zeigt auch eine aktuelle Deloitte-Studie: In Zeiten von hoher Inflation sparen die Menschen vor allem beim Thema Nachhaltigkeit. Nur noch 30 Prozent der Menschen sind bereit, mehr für nachhaltige Produkte zu zahlen. 2021 waren es noch 67 Prozent.

Sein Ansatz: Spenden durch Käufe

Genau damit verdienen Unterkofler und Co. allerdings ihr Geld. Share ist vor allem durch seine Präsenz in Supermärkten bekannt. Dort verkauft das Unternehmen Müsliriegel, Wasserflaschen oder verschiedene Pflegeprodukte. Für jedes verkaufte Produkt wird ein soziales Projekt unterstützt. Eine Flasche Wasser sichert so zum Beispiel einer Person in Afrika den Zugang zu Trinkwasser für einen Tag. Mit diesem "One-for-One"-Ansatz ist Share seit 2017 groß geworden und verkauft mittlerweile 120 verschiedene Produkte. "Wir wollen den sozialen Kapitalismus skalieren", sagt Unterkofler selbstbewusst.

Inzwischen stellt sich Unterkofler aber auch die Frage, wie sozial die Gesellschaft noch in Zeiten der Krise ist. Ein Blick auf die Zahlen des Deutschen Spendenrats zeigt, dass vor allem ältere Menschen über 49 Jahre den Großteil des Spendenvolumens tragen. Der Anteil wird von Jahr zu Jahr größer – oder anders gesagt: Jüngere Menschen spenden tendenziell immer weniger. "Das hat wahrscheinlich weniger mit ihrer Einstellung zu tun als mit den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen", meint Unterkofler. Er ist deshalb aber umso mehr von seinem Konzept überzeugt, dass sozialer Konsum junge Menschen besser abholt als eine Spende. Hier erhalten sie immerhin ein Produkt dazu. Und gerade bei Produkten, die ohnehin gekauft werden müssten, sieht der 32-Jährige auch eine große Chance.

"Was wir festgestellt haben, ist, dass vor allem die Produkte unter zwei Euro aktuell sehr gut funktionieren. Alles darüber wird zunehmend schwieriger", sagt er. Insgesamt habe Share nämlich trotz der verfehlten Umsatzprognose, insgesamt 13 Prozent mehr Produkte verkauft. Diese Rechnung geht deshalb auf, weil Kundinnen und Kunden vor allem günstigere Produkte wie Wasser oder Müsliriegel kauften.

Unterkofler und sein Team haben darauf reagiert und ihr Geschäftsmodell angepasst. Weg von höherpreisigen hin zu günstigen Alltagsprodukten. Weniger Naturshampoo, mehr Lebensmittel. "Wir schauen uns alles an, was den täglichen Konsum ausmacht", sagt Unterkofler.

Neue Kooperation mit Congstar

Zur Neuausrichtung gehören aber nicht nur Produkte unter zwei Euro. Seit Dienstag kooperiert Share zum Beispiel mit dem Mobilfunkdienstleister Congstar. So gut wie jeder Deutsche nutzt ein Smartphone. Das macht den Markt auch für Share interessant. Nutzerinnen und Nutzer erhalten im neuen Tarif vier Gigabyte Datenvolumen für 10 Euro, beziehungsweise 8 Gigabyte für 15 Euro. Mit jeder monatlich abgeschlossenen Zahlung erhält im Gegenzug ein kenianisches Kind einen Monat Zugang zur Bildungsplattform Eidu. Eigentlich sollte der Preis deutlich über den aktuellen Konditionen liegen, sagt Unterkofler. Aber, das haben die vergangenen Monate gezeigt: "Wir müssen mit unseren Produkten hochkompetitiv sein. Sonst haben wir keine Chance." Wer sich im Mobilfunkmarkt auskenne, der wisse, dass man bei diesen Preisen kaum Geld verdiene.

Der Weg funktioniere dennoch durch viele Mikroinvestments. Man könne bereits mit drei Cent pro Wasserflasche einen Menschen mit Wasser für einen Tag versorgen. Das ließe sich im Preis unterbringen. Die Zeiten, in denen Menschen zum teuren Pflegeprodukt griffen und damit auf einen Schlag größere Summen freisetzten, seien aktuell nicht gegeben.

Trotzdem sei der Weg alternativlos: "Wir müssen uns jetzt krisenfest machen", sagt Unterkofler. Zwar hätten sich seine Investoren, vor allem Mittelständler und Privatpersonen, mit Share verschworen. Mittelfristig ginge es aber darum, ohne externes Geld auszukommen. "Ich bezeichne Share als großes Experiment: Kann es ein Unternehmen geben, das nachhaltig wirtschaftet und gleichzeitig sozialen Nutzen stiftet? Wenn ja, dann gibt es eigentlich keine Ausreden mehr für andere Unternehmen, dem nicht zu folgen." Diese Frage sei noch nicht abschließend beantwortet. Der bisherige Weg stifte zwar Hoffnung, aber er bedürfe eben Anpassungen und Richtungswechsel. Damit kennt sich Unterkofler immerhin aus.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Capital.de.